Ein Fünftel weniger Insolvenzen im September
ba Frankfurt
Die Konjunkturaussichten werden immer trüber, und Ökonomen sehen die deutsche Wirtschaft bereits in der Rezession stecken, dennoch sind die Insolvenzzahlen deutlich zurückgegangen. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) fiel im September die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um 20,6% im Monatsvergleich. Im August war sie noch um 6,6% gestiegen. Allerdings fließen die Insolvenzanträge erst mit einer Verzögerung von annähernd drei Monaten nach dem tatsächlichen Insolvenzantrag in die Statistik ein, betonen die Wiesbadener Statistiker. Experten rechnen in den kommenden Monaten mit wieder steigenden Fallzahlen. Der Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) etwa hat für September ein Anziehen um 34% ergeben – allerdings im Jahresvergleich. Laut dem IWH-Frühindikator dürfte es im Oktober ein Drittel mehr als im Vorjahr werden, im November könnte der Vorjahreswert um 40% übertroffen werden.
Dass die Zahlen von Destatis und IWH im Widerspruch stehen, erklärt der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) neben der unterschiedlichen Vergleichsbasis zum Vormonat bzw. dem Vorjahr auch mit der „sehr niedrigen Basis“, die das IWH für die Voraussagen nutzt. „Wenn man im langjährigen Vergleich auf die Zahlen schaut, sieht man, dass wir selbst mit dem aktuellen Anstieg noch lange nicht an die ohnehin niedrigen Insolvenzzahlen des Jahres 2019 heranreichen“, erklärte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. Es handele sich also eher um „eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens als die oft befürchtete Welle“. Dabei habe „die Aussicht auf weitere Staatshilfen in der aktuellen Situation sicher dazu beigetragen, dass mancher Antrag nicht gestellt wurde“, sagte Niering.
Die Insolvenzgründe sind laut VID derzeit vielfältig: Neben den gestörten Lieferketten stünden die Unternehmen vor weiteren Hürden wie Energiepreissteigerungen und Rohstoffmangel infolge des Ukraine-Kriegs, inflationsbedingten Preissteigerungen, gestiegenen Zinsen und dem immer deutlicher werdenden Arbeitskräftemangel. Der Fachkräftemangel sorgt denn auch dafür, dass die Arbeitnehmer nach einem insolvenzbedingten Jobverlust „innerhalb kürzester Zeit eine neue Tätigkeit“ fänden, sagte Niering. Dem IWH zufolge waren im September in den größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz gemeldet wurde, 6600 Arbeitsplätze betroffen.
Die Zahlen der beantragten Regelinsolvenzverfahren basieren auf aktuellen Insolvenzbekanntmachungen aller deutschen Amtsgerichte und geben Hinweise auf die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen. Die Ergebnisse der amtlichen Insolvenzstatistik sind erst rund zwei Monate später verfügbar. So haben die Amtsgericht für Juli 1 154 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das waren 3,8% weniger als im Juli 2021. Die meisten Fälle gab es im Baugewerbe mit 245 Verfahren, das waren 10,4% mehr als im Vorjahr. Die Stimmung im Bausektor hat sich der Einkaufsmanagerumfrage von S&P Global zufolge auch im September weiter eingetrübt – keine guten Aussichten also.
Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger der im Juli gemeldeten Insolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf knapp 0,8 Mrd. Euro. Im Vorjahr waren es rund 4,6 Mrd. Euro, da mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen insolvent wurden als im Juli 2022.