Ein Hauch von Revolution

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 19.3.2020 Die befürchteten wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben für ein bemerkenswertes Umdenken gesorgt. Sonal Desai, die Anlagechefin für Schuldentitel beim Vermögensverwalter...

Ein Hauch von Revolution

Von Andreas Hippin, LondonDie befürchteten wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben für ein bemerkenswertes Umdenken gesorgt. Sonal Desai, die Anlagechefin für Schuldentitel beim Vermögensverwalter Franklin Templeton, hätte nach eigener Aussage nicht erwartet, dass sie sich einmal für ein bedingungsloses Grundeinkommen aussprechen würde. Nun sagt sie, ein Worst-Case-Szenario würde für begrenzte Zeit eine pauschale Einkommensunterstützung rechtfertigen, wobei auf eine gezielte und bedarfsorientierte Prüfung verzichtet werden könnte, um schnell handeln zu können.Auch Mitt Romney, der republikanische Senator aus Utah, gilt nicht gerade als Vorkämpfer der sozialen Umverteilung. Dennoch setzte er sich dafür ein, einmalig jedem Erwachsenen in den USA einen Scheck über 1 000 Dollar in die Hand zu drücken, um kurzfristigen Verbindlichkeiten nachkommen und mehr ausgeben zu können. Die Demokratin Tulsi Gabbard aus Hawaii, die ihre Präsidentschaftskandidatur schon früh zurückgezogen hatte, will monatlich 1 000 Dollar ausschütten, um sicherzustellen, dass alle versorgt sind. Und wie die “New York Times” unter Berufung auf Kreise berichtet, hat die Regierung von Donald Trump bereits einen Plan in Arbeit, der zwei Einmalzahlungen vorsieht. Als der Unternehmer Andrew Yang versuchte, das Thema in den Vereinigten Staaten salonfähig zu machen, wollte kaum einer auf ihn hören.Das Problem ist, dass die Hilfsmaßnahmen der Regierungen zunächst den Unternehmen zugute kommen. Nun ist es sicher nicht falsch zu verhindern, dass gute Firmen wegen der Epidemie in die Pleite rutschen. Das Risiko pauschaler Kreditgarantien besteht darin, eine Menge Zombieunternehmen künstlich am Leben zu halten, die so oder so dahingerafft worden wären. Sieht man sich das Paket, das der britische Schatzkanzler Rishi Sunak geschnürt hat, einmal genau an, fällt auf, dass es sich in erster Linie um Kredite handelt. Gut möglich, dass viel davon nicht zurückgezahlt wird. Aber verschenkt wird erst einmal nichts.An eine Unterstützung derjenigen, die Arbeit auf Abruf leisten oder sich in der “Gig Economy” verdingen, wurde nicht gedacht. Dabei ist ihr Anteil in den besonders betroffenen Branchen wie dem Einzelhandel, dem Transport- oder dem Hotel- und Gaststättengewerbe besonders hoch. Sie verdienen von heute auf morgen kein Geld mehr. Das gilt auch für viele Freiberufler, egal ob es sich um Yogalehrer oder Unternehmensberater handelt, die Seminare zur Teambildung anbieten. Das staatliche Krankengeld von 94,25 Pfund reicht zum Leben nicht, schon gar nicht, wenn man nicht in der eigenen Immobilie lebt. Wie man Mietern zur Seite stehen könnte, wurde auch nicht überlegt. Eigenheimbesitzern soll dagegen ermöglicht werden, die Hypothekenzahlungen wenn nötig für drei Monate aufzuschieben. Rund ein Viertel der Briten verfügen über keinerlei Ersparnisse, auf die sie zurückgreifen können. Bei jüngeren Menschen ist der Anteil deutlich größer. Die Probleme werden dadurch verschärft, dass sich die zuständigen Behörden wegen der Epidemie weitgehend abschotten.Ein zeitlich befristetes Grundeinkommen könnte Abhilfe schaffen. Keine Sorge, es wird nicht im Pub verprasst oder für Kinobesuche verschwendet – Vergnügungsstätten dieser Art werden ohnehin demnächst geschlossen. Wenn Sunak nicht schnell nachlegt, könnte der Coronavirus schnell dafür sorgen, dass es zu sozialen Unruhen kommt. Supermarktbetreiber haben die Regierung bereits gebeten, über Polizeischutz nachzudenken, sollten die Panikkäufe weitergehen. Fehlen aber nicht nur Klopapier und Tomatendosen in den Regalen, sondern auch das Geld in der Brieftasche, drohen Plünderungen wie zuletzt 2011.——Das bedingungslose Grundeinkommen findet wegen der Coronavirus-Pandemie neue Freunde.——