SchwerpunktMar-a-Lago Accord

Ein Querdenker zieht die Strippen der US-Zollpolitik

Der Harvard-Ökonom Stephan Miran hat mit seinen Theorien den Grundstein gelegt für US-Präsident Donald Trumps Einfuhrzölle. Er will Handelspartner zur Aufwertung ihrer Währungen zwingen.

Ein Querdenker zieht die Strippen der US-Zollpolitik

Ein Querdenker zieht die Strippen der US-Zollpolitik

Zölle sollten Handelspartner zur Aufwertung ihrer Währungen zwingen – Ökonom vermutet geringe Bereitschaft zu neuem „Plaza-Abkommen“

det Washington
Von Peter De Thier, Washington

Im direkten Kontrast zu seinem Chef Donald Trump geht Stephen Miran dem Rampenlicht aus dem Weg. Selbst viele Mitarbeiter im weitläufigen Stab des US-Präsidenten wissen mit dem Namen und schon gar nicht der Arbeit des Nationalökonomen etwas anzufangen. Gleichwohl zählt der Absolvent der Elite-Universität Harvard mit Anfang 40 zu den einflussreichsten Drahtziehern der US-Handelspolitik. Auch ist Miran der Chefarchitekt eines potenziellen „Mar-a-Lago Accord“, den Trump noch in diesem Jahr unter Dach und Fach haben will. 

Architekt der Einfuhrzölle

Schließlich ist der Vorsitzende des Council of Economic Advisers (CEA) einer der Architekten der vergangenen Woche verhängten Einfuhrzölle. Nicht nur das: Miran plädiert darüber hinaus für eine aggressive US-Wechselkurspolitik. Diese würde darauf abzielen, Partnerländer zur Aufwertung ihrer eigenen Währungen zu zwingen.

Damit würde die US-Ausfuhrwirtschaft ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber internationalen Konkurrenten verbessern, argumentiert er. Sollte es gelingen, Partnerländern mit Protektionismus die Pistole auf die Brust zu setzen und ihnen Konzessionen abzuverlangen, würden diese zugleich die Grundlage für ein sogenanntes „Mar-a-Lago“ Abkommen bilden. Davon ist jedenfalls Stephen Miran fest überzeugt.

Berater von Stephen Mnuchin

Ungeachtet seines politischen Einflusses erinnert Miran eigentlich mehr an einen grübelnden Akademiker, der in seinem stillen Kämmerchen an ökonomischen Formeln bastelt, um die Grundregeln des Welthandels umzukrempeln. An der Boston University studierte er Volkswirtschaft, Psychologie und Mathematik. Mit Martin Feldstein als Doktorvater promovierte er am Harvard College und wechselte von dort an die Wall Street. Bei der Investmentfirma Hudson Bay Capital Management arbeitete er als Wirtschaftsstratege. Während Trumps erster Amtszeit holte der damalige Finanzminister Stephen Mnuchin den Ökonomen als Wirtschaftsberater in seinen Stab. Vier Jahre später wurde Miran von Trump als Direktor des Council of Economic Advisers (CEA) nominiert und vom Senat bestätigt.

Karriere an der Wall Street

Unterdessen hatte Miran den Weg zu den umstrittenen Einfuhrzöllen bereits als Wall Street-Ökonom gebahnt. Bei Hudson Bay Capital Management verfasste er ein Papier, das er als „Bedienungsanleitung zur Restrukturierung des globalen Handelssystems“ versteht. Die Kernaussage: Die Ursache der Ungleichgewichte im Welthandel sei der dauerhaft überbewertete Dollar.

Dieser habe dazu geführt, dass die USA seit einem halben Jahrhundert steigende Fehlbeträge im Außenhandel haben. Den Grund für den teuren Dollar sieht der Ökonom in der unelastischen Nachfrage nach Reserveguthaben. Anders ausgedrückt: Egal, wie viel der Greenback kostet, werden ausländische Anleger, neben privaten Investoren auch Notenbanken und Regierungen, den Dollar kaufen und in ihren Portfolios halten wollen.

USA als „Verteidigungsschirm“

Daraus leitet der Volkswirt wiederum ab, dass je mehr die globale Wirtschaftsleistung zunimmt, es umso schwieriger für die USA wird, die Bereitstellung der Reserveguthaben zu finanzieren und quasi als „Verteidigungsschirm“ zu dienen. Die Kosten hätten wiederum die US-Industrie und die Ausfuhrwirtschaft zu tragen, und zwar in Form steigender Defizite. Die politische Konsequenz daraus: Entweder auf multilateralem Wege oder im Alleingang muss das Weiße Haus Wege suchen, um die heimische Währung zu verbilligen.

Das Musterbeispiel internationaler Kooperation zur Schwächung des Dollar sieht Miran in dem Plaza-Abkommen aus dem Jahr 1985. Er vermutet aber heute eine geringere Bereitschaft seitens Chinas und Europas, eine Aufwertung der eigenen Währungen in Kauf zu nehmen. Folglich bleiben unilaterale Ansätze die Alternative.

Wie auch der Präsident sähe er dazu gern eine pro-aktive Rolle der Fed, die Zinssenkungen beschließen könnte. Da Notenbankchef Jerome Powell diese aber vorläufig ausschließt, hält Miran Zölle für die zielführendste Variante. Diese würden Partnerländern zumindest als Anstoß dienen, um über eine Aufwertung der eigenen Währungen nachzudenken und damit das Fundament eines „Mar-a-Lago Abkommens“ zu bilden.


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