Einwanderer aus Indien und Frauen entscheidende Faktoren
IW sieht Indien als Schlüsselfaktor beim Fachkräftemangel
Lücke wäre ohne diese Einwanderer um 20 Prozent größer
ba Frankfurt
Indien wird für Deutschland immer wichtiger − nicht nur als Handelspartner. Die weltweit fünftgrößte Volkswirtschaft gilt auch als entscheidender Faktor zur Fachkräftesicherung hierzulande, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) anlässlich der deutsch-indischen Regierungskonsultationen zeigt. Themen waren neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Energie und Wasserstoff, Migration sowie geopolitische Fragen.
Laut IW wäre die Fachkräftelücke, die im Jahresdurchschnitt bei rund 540.000 Personen liegt, ohne Zuwanderung aus Indien um 20% größer. Im März dieses Jahres waren bereits 138.000 indische Fachkräfte hierzulande beschäftigt, Tendenz steigend. Viele von ihnen arbeiten in Engpassberufen, etwa in der Gesundheits- und Krankenpflege, wo aktuell knapp 17.000 Fachkräfte fehlen. In dem Bereich haben laut IW rund 7.500 Menschen aus Indien seit 2012 Anträge auf berufliche Anerkennung gestellt, die Voraussetzung ist, um diesen Beruf auszuüben.
Indiens Ministerpräsident Narendra Modi lobte bei den Gesprächen die Zusammenarbeit bei Fachkräften. „Deutschland hat entschieden, die Zahl der jährlichen Visa für indische Fachkräfte von 20.000 auf 90.000 zu erhöhen“, zitiert ihn Reuters. Indiens Regierung fördert den Weg ins Ausland, der für viele Fachkräfte ein konkretes Ziel ist. Denn bis zum Jahr 2030 werden dem IW zufolge rund 84 Millionen jüngere Arbeitskräfte auf den indischen Arbeitsmarkt streben, der sie nicht alle aufnehmen kann. In Indien liegt das Durchschnittsalter bei 28 Jahren, hierzulande bei 45.
Bis 2036 erreichen fast 20 Millionen Erwerbstätige der Babyboomer-Jahrgänge das gesetzliche Rentenalter. Laut einer IW-Studie rücken nur etwa 12,5 Millionen erwerbsfähige Personen auf den deutschen Arbeitsmarkt nach. Den Berechnungen zufolge kommen im Jahr 2040 auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 41 Menschen über 67 Jahren −2022 waren es nur knapp 30.
Potenzialwachstum schwindet
Neben den Verwerfungen am Arbeitsmarkt drohen empfindliche Folgen für die Sozialversicherungen. Zudem dürfte das Potenzialwachstum „für lange Zeit einbrechen, sofern nichts passiert“, mahnen die Forscher. Empfohlen wird neben einer Verlängerung der individuellen Arbeitszeit der Erwerbstätigen Anreize, damit mehr erwerbstätige Personen über das Renteneintrittsalter hinaus im Job bleiben. Zudem müsse die Politik die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland intensivieren und stärken – etwa durch eine schnellere Visavergabe und einer leichteren Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen.
Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge ist seit der Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) im Jahr 2020 der Anteil an Frauen und jüngeren Menschen unter den zu Erwerbszwecken aus Nicht-EU-Staaten Eingewanderten gestiegen. Der Anteil von Erwerbsmigranten mit beruflichen Abschlüssen ist hingegen gesunken. Die Einwanderungshürden gelten unter den Migranten immer noch als hoch. So gab es Probleme etwa bei der Visumserteilung, der Anerkennung beruflicher Abschlüsse und der Einwanderung im Familienkontext.
Hohe Einwanderungshürden
2023 wanderten 72.000 au den sogenannten Drittstaaten, also den Ländern außerhalb der EU, nach Deutschland ein. Zwischen 2010 und 2019 stieg die Erwerbsmigration von 30.000 auf 64.000 Personen pro Jahr, während der Corona-Pandemie ergab sich ein Rückgang. Seit Inkrafttreten des FEG stieg der Anteil von jüngeren Personen zwischen 18 und 31 Jahren von 42% auf 61%. Bei Frauen ergab sich ein Anstieg von 30% auf 39%. Dass der Anteil von Hochschulabsolventen unter den seit März 2020 Eingewanderten auf 62% von zuvor 38% gestiegen ist, während der Anteil mit beruflichen Abschlüssen von rund 19% auf 11% zurückging, deutet weiter auf höhere Einwanderungshürden für Personen mit beruflichen Abschlüssen hin. „Der Nachweis der Gleichwertigkeit für im Ausland erworbene Berufsabschlüsse, vor allem in nicht reglementierten Berufen, ist langwierig, während Hochschulabschlüsse international besser vergleichbar sind“, erläutert IAB-Forscherin Tanja Fendel.
Zudem ergibt die IAB-Auswertung, dass die zu Erwerbszwecken zugezogene Frauen deutlich häufiger in Vollzeit erwerbstätig sind als andere aus dem Ausland stammende oder auch deutsche Frauen. Aber auch insgesamt ergibt sich fünf Jahre nach dem Zuzug eine überdurchschnittliche Beschäftigungsquote. So lag der Anteil der vollzeitbeschäftigten Frauen und Männer bei 75% beziehungsweise 86%. 2022 lag die Beschäftigungsquote der gesamten ausländischen Bevölkerung in Deutschland bei 47% während es bei deutschen Staatsangehörigen 65,5% waren.