Konjunktur

Engpässe bremsen Industrie aus

Als Wachstumstreiber fällt das verarbeitende Gewerbe vorerst aus: Lieferengpässe und Materialknappheiten haben die Produktion von Industrie und Bau im April deutlich gebremst.

Engpässe bremsen Industrie aus

ba Frankfurt

Die anhaltenden Lieferengpässe und Materialknappheiten haben das deutsche verarbeitende Gewerbe im April ausgebremst. Trotz gut gefüllter Auftragsbücher kommt die Produktion nicht in Gang – neben der Industrie zeigen sich die Spuren mittlerweile auch auf dem Bau deutlich. Ökonomen wurden von dem Produktionsminus überrascht. Sie rechnen mittlerweile nicht mehr mit einem positiven Wachstumsbeitrag des verarbeitenden Gewerbes für das zweite Quartal, sondern setzen die Hoffnung auf den Dienstleistungssektor: Angesichts der Impffortschritte und Lockerungen wird nun hier mit einem kräftigen Schub gerechnet.

Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) drosselten Industrie, Bau und Energieversorger im April die Gesamtfertigung um 1,0%. Ökonomen hatten nach dem Plus von revidiert 2,2 (zuvor: 2,5)% im März mit einem Anstieg um 0,5% gerechnet. Den „leichten Dämpfer“ erklärte das Bundeswirtschaftsministerium mit einer „Knappheit bei Vorprodukten (vor allem Halbleiter und Bauholz)“. Die positive Entwicklung des Ifo-Geschäftsklimaindexes und die „nach wie vor auf hohem Niveau stabilen Auftragseingänge“ würden aber „dennoch für einen positiven Ausblick für die Industrie in den kommenden Monaten sorgen“, hieß es weiter.

Wie kräftig die Materialknappheiten bremsen, zeigt der Blick auf die Details: So sank der Output insbesondere am Bau (–4,3%), während die Industrie im engeren Sinne 0,7% weniger produzierte. Die Energieerzeugung hingegen legte mit + 6,0% zum Vormonat kräftig zu. Dass die gesamte Industrieaktivität immer noch 5,6% unter dem Vorkrisenniveau von Februar 2020 liegt, erklärt die Unicredit als „Mischung aus einem technischen Rückschlag nach dem starken Anstieg im März und den Auswirkungen von Lieferengpässen“.

Da die bereits vorliegenden Zahlen des Automobilverbandes VDA „einen deutlichen Rückgang der Autoproduktion im Mai anzeigen, ist für diesen Monat mit einer noch niedrigeren Produktion zu rechnen“, mahnte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Gestützt wird seine Voraussage von den ebenfalls gestern veröffentlichten Ifo-Produktionserwartungen. Der monatlichen Umfrage zufolge haben sich die Produktionserwartungen der deutschen Industrie „auf hohem Niveau etwas verschlechtert“, kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe den Rückgang des Indikators von dem erst im April erreichten 30-Jahres-Hoch von 32 auf 27 Punkte. Das Bild in den einzelnen Branchen sei sehr differenziert: „Die Autoindustrie und ihre Zulieferer fahren ihre Erwartungen deutlich zurück, rechnen aber weiter mit Produktionssteigerungen“, so Wohlrabe. Die Bekleidungshersteller dagegen be­richteten erstmals nach neun Monaten, ihre Produktion ausweiten zu wollen.

„Auch wenn die Produktionserwartungen zuletzt von ihren Allzeithochs heruntergekommen sind, dürfte die Industrieproduktion in diesem Jahr ein wichtiger Wachstumstreiber bleiben“, betont ING-Chefökonom Carsten Brzeski angesichts der gut gefüllten Auftragsbücher und niedrigen Lagerbestände. Die enttäuschenden Industriedaten würden zeigen, „dass der Aufschwung der deutschen Wirtschaft (und auch der Eurozone) im zweiten Quartal mit wackligen Knien begonnen hat“. Nach einigen Startschwierigkeiten sollte die konjunkturelle Erholung aber bald kräftig an Fahrt aufnehmen.

Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft um 1,8% zum Vorquartal geschrumpft, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der gesamten Eurozone um 0,3%. In einer ersten Schätzung hatte das Statistikamt Eurostat noch ein Minus des Euro-BIP von 0,6% ermittelt. Zahlreiche nationale Statistikämter – darunter die der drei größten Euro-Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien – hatten zuletzt ihre Daten angepasst. In die Rezession ist die Euro-Wirtschaft dennoch gerutscht, auch wenn Eurostat den BIP-Rückgang des Schlussabschnitts 2020 von 0,7% auf 0,6% korrigierte. Einen positiven Einfluss auf das BIP im Startquartal hatten die Bruttoanlageinvestitionen und die Vorratsveränderungen, wohingegen sich die Konsumausgaben der privaten Haushalte dämpfend auswirkten, wie Eurostat mitteilte (siehe Grafik).