Engpässe und Spritpreise treiben Wirtschaft um
Reuters/dpa-afx Berlin/Moskau
– Großhändler und Logistiker warnen wegen des Ukraine-Krieges vor Engpässen. Neben der starken Abhängigkeit von Russland im Energiebereich könnten Aluminiumproduzenten und der Lebensmittelhandel betroffen sein, erklärte der Groß- und Außenhandelsverband BGA. Auch Zellstoffe könnten knapp werden, also etwa Toilettenpapier und Küchenrollen. Weitere Beispiele könnten chemische Reinigungsmittel, Honig und Zander werden.
Der BGA warnte zugleich vor Panik. Knappheiten führten nicht automatisch zu leeren Regalen. Oft könnten Produkte zu höheren Preisen und mit längeren Lieferzeiten anderweitig als aus der Ukraine oder Russland bezogen werden. „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine künstliche Verknappung durch Hamsterkäufe“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura.
Alarm schlägt auch die Logistikbranche, die unter rekordhohen Kraftstoffpreisen leidet. „Die Unternehmen sind wirklich verzweifelt“, sagte der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. Viele Spediteure würden derzeit gegen die Insolvenz anfahren, ihnen gehe die Liquidität aus. Engelhardt schlug deshalb einen Krisengipfel mit der Bundesregierung vor. Es gebe aktuell „keinerlei Unterstützung seitens des Staates“. Ohne diese drohten jedoch leere Regale und damit ein gesamtwirtschaftliches Problem, denn mehr als 70% der deutschen Versorgung hingen vom Lkw-Verkehr ab. Zudem befürchtet die Logistikbranche in Europa einen akuten Personalmangel durch den Ausfall von mehr als 100000 ukrainischen Lkw-Fahrern.
Der BGA stellt sich auf eine dauerhafte Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen zu Russland ein. Mit den Sanktionen des Westens und Gegenmaßnahmen aus Moskau werde der Handel nachhaltig geschädigt, sagte Jandura. Viele Firmen hätten sich bereits zurückgezogen. Wegen Verstaatlichungen tendiere die Investitionsbereitschaft zudem gegen null, ergänzte BGA-Hauptgeschäftsführer Antonin Finkelnburg.
Moskau plant Verstaatlichung
Westlichen Unternehmen, die wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine das Land verlassen, droht eine Verstaatlichung ihrer Betriebe und Produktionsstätten. Die Firmen würden „praktisch ihre Kollektive ihrem Schicksal“ überlassen, sagte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew. Die russische Regierung arbeite deshalb an Schritten, um eine Insolvenz der Unternehmen und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten, sagte der Vizechef des russischen Sicherheitsrates. Vorrangige Aufgabe dabei sei, dass die Menschen nicht auf der Straße landeten.
Auf „Grundlage des von den Investoren in Panik“ zurückgelassenen Vermögens müsse eine neue Produktion aufgebaut werden, meinte Medwedew. „Solch eine Herangehensweise ist objektiv und gerecht.“ Betroffen sind unter anderem Unternehmen aus Deutschland, weiteren EU-Staaten und den USA.
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