Lieferunterbrechung

Entwarnungen nach Gas-Schreck

Zum ersten Mal seit Russlands Überfall auf die Ukraine bleiben Gaslieferungen nach Westeuropa teilweise aus. Daraufhin sind alle Seiten bemüht, Befürchtungen zu zerstreuen – vor allem in Deutschland.

Entwarnungen nach Gas-Schreck

rec Frankfurt

Nach einem Schreckmoment durch ausbleibende Gaslieferungen sind Bundesregierung, Behörden und Experten auf Entwarnung bedacht. Am Mittwoch stockte im Zuge des Ukraine-Kriegs erstmals die Gaszufuhr aus Russland. Die Bundesnetzagentur, deren Chef sich wiederholt sehr besorgt über ein kontrovers diskutiertes Gasembargo geäußert hat, gab sich gelassen: Die Versorgungslage sei stabil. Bundesregierung und externe Experten betonten, die Gasversorgung sei sichergestellt. Auch der Kreml unterstrich einmal mehr, ein zuverlässiger Gaslieferant zu sein.

Am Mittwoch floss weniger Gas als üblich nach Süddeutschland – laut Bundesnetzagentur circa ein Viertel. Der russische Staatskonzern Gazprom berichtete, zwar weiterhin Gas zu liefern, aber weniger als zuletzt. Zuvor hatte der ukrainische Netzbetreiber GTSOU den Gas-Transit durch die Ost-Ukraine teilweise eingestellt. Als Grund führte er Probleme mit dem Betrieb einer Verdichterstation in der ostukrainischen Region Luhansk an. Sie ist ein Knotenpunkt der Gasversorgung Richtung Westeuropa. Seit Wochen kontrollieren russische Separatisten die Region.

Die Folgen eines möglichen Gaslieferstopps ist seit Russlands Überfall auf die Ukraine am 24. Februar Gegenstand heftiger Diskussionen, vor allem in Deutschland: Hier ist die Abhängigkeit von russischem Gas besonders hoch. Nach allgemeiner Auffassung ist bei einem vollständigen Ausfall der Gaslieferungen aus Russland eine Rezession programmiert. Wie heftig die Folgen wären und ob der Wirtschaft irreparable Schäden drohen, ist aber umstritten.

Ökonomen des Versicherers Allianz warnen in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie vor „schwerwiegenden Unterbrechungen der Energieversorgung in vielen EU-Mitgliedstaaten“. Die Folgen eines „Blackout-Szenarios“ in der Gasversorgung durch Russland halten sie für „beträchtlich“. Mit Blick auf den Winter heißt es: Neue Lieferanten, Ersatz durch andere Energieträger und eine gewisse Selbstrationierung des Privatsektors „würden nicht ausreichen, um die Lücke zu schließen“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte den teilweisen Lieferausfall laut dpa „kompensierbar“. Deutsche Abnehmer hätten sich „tagesaktuell Ersatz gesucht“ und Gasmengen „über den Spotmarkt aus anderen Richtungen und aus anderen Regionen eingekauft“. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sprangen Lieferanten aus Norwegen und den Niederlanden ein, um die ausbleibenden Liefermengen umgehend zu ersetzen. „Die Versorgungssicherheit ist weiterhin ge­währleistet“, meldete die Behörde in ihrem täglichen Lagebericht. Die Preise im Gas-Großhandel stabilisierten sich nach einem kurzzeitigen Aufflackern rasch und fielen im Tagesverlauf sogar.

Experten und Branchenvertreter sprangen der Bundesregierung zur Seite. Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte, es seien „keine Versorgungsengpässe in Europa und Deutschland zu erwarten“. Auf die Versorgungssicherheit in Deutschland habe der Zwischenfall keine unmittelbaren Auswirkungen, ergänzte Kemfert. Ein Sprecher des Energiekonzerns Uniper bezeichnete die derzeitigen Einschränkungen laut dpa als „relativ überschaubar“. Uniper ist einer der Hauptimporteure von russischem Erdgas. Unterschiedliche Signale kamen hingegen aus Russland und der Ukraine zu möglichen Ausweichrouten. Dem ukrainischen Netzbetreiber zufolge wäre es möglich, Gas über weiter nördlich gelegene Leitungen zu führen. Gazprom bestritt dies als technisch nicht möglich.

Wie gewohnt waren russische Stellen um Entwarnung bemüht. Man selbst erfülle alle mit den Kunden eingegangenen Verpflichtungen, so Gazprom. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte: „Russland hat immer seine Verpflichtungen erfüllt und beabsichtigt dies auch weiter zu tun.“

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