Epidemischer Großkampftag in Berlin
sp Berlin
Das Berliner Regierungsviertel steht am Donnerstag ganz im Zeichen der zugespitzten epidemischen Lage. Sogar die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP, die in der nächsten Woche einen Koalitionsvertrag für das erste Ampel-Bündnis auf Bundesebene vorlegen wollen, ruhen und werden erst am Freitag fortgesetzt. Denn die Spitzenpolitiker der Ampel müssen vor dem Hintergrund rapide steigender Infektionszahlen und wachsendem Druck auf die Intensivstationen erst die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz verteidigen und sich dann in einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit Spitzenvertretern der Union aus den Ländern und aus der geschäftsführenden Regierung auf möglichst stringente Maßnahmen einigen, um der vierten Infektionswelle doch noch die Spitze nehmen zu können.
Am Mittwoch zeichnete sich ein Showdown im Parlament ab, der auch die Beratungen von Bund und Ländern weiter erschweren könnte. Ralph Brinkhaus (CDU), Fraktionschef der Unionsparteien im Parlament, ließ vor einer Fraktionssitzung am Mittwochnachmittag offen, ob CDU/CSU den geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zustimmen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach sich laut Agenturberichten offen dagegen aus. Die Union könnte das Gesetz im Bundesrat blockieren. Sie stört sich vor allem daran, dass die Ampel die epidemische Lage nationaler Tragweite mit dem 25. November auslaufen lassen will und damit die Rechtsgrundlage für weitreichende Eingriffe in die Freiheitsrechte wie flächendeckende Lockdowns abschafft.
Ampel bessert Entwurf nach
Die Ampel-Parteien halten dagegen, dass flächendeckende Lockdowns angesichts einer Impfquote von nahe 70% ohnehin nicht gerichtsfest umsetzbar sind, und wollen mit den Änderungen im Gesetz belastbare Grundlagen für Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie schaffen, darunter auch 3G-Regeln für den Arbeitsplatz und im öffentlichen Nahverkehr. Außerdem besserten sie ihren Gesetzentwurf nach Beratungen am Dienstag erneut nach und geben Ländern wieder mehr Möglichkeiten für einschneidende Maßnahmen über den 25. November hinaus. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte die Union am Mittwoch deshalb zur Unterstützung des Gesetzesvorhabens auf.
Zusammenarbeiten müssen die Vertreter der Union und der Ampel-Parteien auch beim Treffen der Spitzen von Bund und Ländern. Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die seit Wochen auf das Treffen dringt, während der langjährige Regierungspartner und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf die Bremse drückte, wohl auch um die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP nicht zu stören, sprach am Mittwoch auf dem Deutschen Städtetag von einer dramatischen Lage in Deutschland und forderte Bund und Länder auf, im Rahmen der Spitzenrunde am Donnerstag zu klären, ab welcher Zahl der Krankenhauseinweisungen von Infizierten neue Corona-Beschränkungen gelten sollten.
Bereits am Mittwoch kündigten immer mehr Länder eine Ausweitung von 2G-Regeln an. „Überall da, wo Menschen zusammenkommen bei öffentlichen Angeboten, da werden wir nur noch mit 2G arbeiten können, das heißt nur noch Zugang für Menschen, die entweder geimpft sind oder genesen sind“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im ZDF.
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, dass die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag „so wichtig wie kaum je zuvor“ werde.