Erdogans Wahlsieg besorgt die Ökonomen

Skepsis über Unabhängigkeit der Geldpolitik

Erdogans Wahlsieg besorgt die Ökonomen

kaz Frankfurt – Nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan die türkische Präsidentschaftswahl für sich entschieden hat, mehren sich nun die um die wirtschaftliche Zukunft besorgten Stimmen von Volkswirten. Auch die Reaktionen aus der deutschen Politik fallen durchwachsen aus. Bundeskanzlerin Merkel ließ via Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen, man gehe von “konstruktiven und gedeihlichen” Arbeitsbeziehungen aus. Gratulieren wolle Merkel erst, wenn der Bericht der Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorliege. Diese hat mittlerweile die Wahlen als unfair bezeichnet.Mit 52,59 % hat Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Wahl am Wochenende gewonnen. Seinen größten Konkurrenten, Muharrem Ince von der linksliberalen CHP, ließ er mit nur 21,88 % Stimmenanteil deutlich hinter sich. Bei den erstmals zeitgleich abgehaltenen Parlamentswahlen verbuchte Erdogans konservative AKP hingegen nur 42,56 % und ist damit auf die Unterstützung durch die nationalistische MHP angewiesen.”Marktteilnehmer bevorzugen offenbar mehrheitlich die Aussicht auf eine Stabilität nach Art Erdogans gegenüber einem Erfolg der Opposition, für den eine politisch unsichere Zeit zu erwarten gewesen wäre”, kommentierten die Analysten der DZ Bank mit Blick auf die zeitweise erstarkte Lira. Es herrsche “eine gewisse Erleichterung”. Die “schwierigen fundamentalen Rahmenbedingungen” blieben aber bestehen. So soll etwa das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das laut Internationalem Währungsfonds im Vorjahr noch mit 7,0 % wuchs, dieses Jahr nur noch um 4,4 % zulegen (siehe Grafik). Die seit Jahren viel zu hohe Inflation erreichte im Mai 12,2 % – das liegt deutlich über den angepeilten 5 %. “Das schlechte wirtschaftspolitische Management in den letzten Monaten hat unserer Ansicht nach entscheidend zu der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der Türkei beigetragen”, sagte Salman Ahmed, Chief Investment Strategist bei Lombard Odier Investment. Im Zentrum steht nun vor allem die Sorge, dass Erdogan seine Drohungen wahr macht und die Zentralbank an die kurze Leine nimmt. “Für die Lira wird vor allem relevant sein, ob Erdogan nun glaubhaft auf eine nachhaltige Außen- und Wirtschaftspolitik umschwenkt und die Unabhängigkeit der Zentralbank respektiert”, so die Analysten der BayernLB.Dem Land, das offiziell noch immer eine EU-Mitgliedschaft anstrebt, stehen nun mindestens fünf weitere Jahre unter Erdogan bevor – der im Zuge der Umstellung auf das umstrittene Präsidialsystem mit noch umfassenderen Machtbefugnissen aufwartet.