Erste Spannungen in der Regierung Draghi
bl Mailand
Die neue italienische Regierung unter Premierminister Mario Draghi hat sich noch gar nicht den Vertrauensabstimmungen in Senat und Abgeordnetenhaus gestellt, da gibt es schon erste Spannungen. Ausgelöst wurden sie durch das sehr kurzfristig erfolgte Verbot der für Montag geplanten Öffnung der Skilifte durch Gesundheitsminister Roberto Speranza von der kleinen Linkspartei LeU. Für zusätzliche Aufregung sorgte die Forderung von dessen wissenschaftlichem Berater Walter Ricciardi nach einem harten lockdown von zwei bis vier Wochen. Hintergrund sind steigende Coronavirus-Ansteckungszahlen und die wachsende Verbreitung diverser Mutationen des Virus.
Die Regionalpräsidenten und auch die Rechtsparteien, allen voran Lega-Chef Matteo Salvini, griffen Speranza und seinen Berater massiv an. Sie verwiesen auf das sehr kurzfristig erfolgte Verbot und die wirtschaftlichen Schäden für die Skiregionen. Das Öffnungsverbot soll von Draghi persönlich abgesegnet worden sein. Außerdem fordern fast alle führenden Virologen des Landes eine Verschärfung der Maßnahmen.
Große Spannungen gibt es auch innerhalb der 5-Sterne-Bewegung. Der Widerstand der Partei, die ein Drittel aller Abgeordneten stellt, gegen eine Regierungsbeteiligung ist sehr groß. Bis zu 70 der 190 Abgeordneten der 5 Sterne in beiden Häusern des Parlaments könnten sich bei den Vertrauensabstimmungen der Stimme enthalten oder gegen die Regierung stimmen. Ein großer Teil der Basis der Bewegung ist erbost über den Eintritt in eine Regierung mit dem früheren „Erzfeind“ und Vertreter des Establishments, Mario Draghi. Der Widerstand gefährdet aber die sehr breite Mehrheit für die Regierung Draghi bei der Vertrauensabstimmung am Mittwoch im Senat und am Donnerstag im Abgeordnetenhaus in keiner Weise. Vermutlich dürften 75 bis 80% der Volksvertreter für die Regierung stimmen. In Opposition sind nur die postfaschistischen Fratelli d’Italia und die extreme Linke, die aber nur wenige Abgeordnete stellt.
Unterdessen feilt Draghi, dessen Kabinett am Samstag vereidigt worden ist, an seiner Regierungserklärung. Bis Ende der Woche sollen auch die Staatssekretäre ernannt werden. Zu den Prioritäten Draghis gehören die Bekämpfung der Pandemie, ein nationaler Impfplan, die Lösung der Krisen bei Alitalia und beim Stahlwerk Ilva, die keine Liquidität mehr haben, Reformen von Verwaltung und Steuersystem, die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung und die Erarbeitung eines Plans zur Verwendung der Mittel des Europäischen Wiederaufbauprogramms. Die Ratingagentur Moody’s erwartet, dass Draghi eine effiziente Verwendung der Mittel sicherstellt, bei strukturellen Reformen aber zunehmend auf Widerstand stoßen wird.
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