Erwerbstätigkeit erreicht Allzeithoch
Erwerbstätigkeit erreicht Allzeithoch
Ökonomen erwarten sinkende Erwerbstätigkeit – Arbeitslosigkeit wird steigen – Konjunkturflaute belastet
ast Frankfurt
Die Konjunktur in Deutschland schwächelt, doch die Erwerbstätigenzahl kennt nur eine Richtung: nach oben. Trotz der aktuell drohenden Rezession und einer sinkenden Wirtschaftsleistung im Sommerquartal des vergangenen Jahres ist die Zahl der Beschäftigten in Deutschland auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) zählte im Durchschnitt 45,9 Millionen Erwerbstätige. „Das waren so viele wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990“, teilte die Behörde am Dienstag in Wiesbaden mit. Der bisherige Rekord aus dem Vorjahr wurde damit um 0,7% oder 333.000 Personen übertroffen.
Seit Corona nur bergauf
Dabei ist Europas größte Volkswirtschaft den führenden Wirtschaftsinstituten zufolge im abgelaufenen Jahr geschrumpft. Für das gerade gestartete neue Jahr erwarten die Statistiker zwar ebenfalls ein Plus, allerdings ein deutlich geringeres. Belastend wirkt laut Destatis nicht nur die konjunkturelle Flaute in der Gesamtwirtschaft. Auch der demografische Wandel wird erste Bremsspuren hinterlassen. Denn in diesem Jahr wird der geburtenstärkste Jahrgang in Deutschland 60 Jahre alt. Die ersten sogenannten Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt in Richtung Ruhestand. Die Erwerbstätigkeit wird Experten zufolge jedoch bald sinken. Einige Ökonomen gehen davon aus, dass sie schon in diesem Jahr ihren vorerst letzten Höhepunkt erreichen wird. Zuletzt hatte die Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 für den ersten Rückgang der Erwerbstätigenzahl nach 14 Jahren des anhaltenden Anstiegs gesorgt.
„Eine Ursache für die Beschäftigungszunahme im Jahr 2023 war die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte“, erklärte das Statistikamt. Hinzu kam eine höhere Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung. „Diese beiden Wachstumsimpulse überwogen die dämpfenden Effekte des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt, der mittelfristig zu einem deutlichen Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter führen wird“, betonte das Statistikamt.
Jobmaschine Servicesektor
Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge könnte die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Jahr die Marke von 46 Millionen knacken und 2025 dann auf 46,082 Millionen steigen. Die Ökonomen von Kiel Economics hingegen gehen davon aus, dass die Erwerbstätigenzahl nicht über 46 Millionen steigen wird. Für 2024 rechnen sie mit nur noch 45,6 Millionen Erwerbstätigen. Schon 2025 könnte diese Zahl sogar unter die 45-Millionen-Marke sinken.
Neun von zehn der zusätzlichen Beschäftigten fanden 2023 Destatis zufolge einen Job in den Dienstleistungsbereichen. Diese verzeichneten einen Zuwachs von insgesamt 295.000 Personen oder 0,9% auf rund 34,6 Millionen. Die größte absolute Zunahme darunter registrierten die öffentlichen Dienstleister, Erziehung und Gesundheit mit einem Plus von 116.000 Erwerbstätigen oder 1,0%. Den zweitstärksten Zuwachs meldete der Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe mit 87.000 Erwerbstätigen (+0,9%). In der Industrie stieg die Erwerbstätigenzahl leicht um 0,3% auf rund 8,1 Millionen. Auch im zuletzt kriselnden Baugewerbe gab es einen Anstieg um 15.000 Erwerbstätige oder 0,6% auf rund 2,6 Millionen. Im Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei gab es hingegen einen Rückgang um 0,4%.
Entscheidend für die insgesamt positive Entwicklung war die Zahl der Arbeitnehmer: Sie wuchs 2023 um 0,9% auf 42,1 Millionen. Dazu trug die positive Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei. „Bei den Selbständigen setzte sich 2023 dagegen der seit nunmehr zwölf Jahren andauernde Abwärtstrend fort“, hieß es bei Destatis. Ihre Zahl sank um 0,8% auf 3,9 Millionen.