IWF-FRÜHJAHRSTAGUNG – IM INTERVIEW: WOLFGANG SCHMIDT

"Es ist ja etwas los in der Welt"

Staatssekretär im Bundesfinanzministerium sieht Deutschland in sehr guter ökonomischer Verfassung - Hoffnungsvoll für Weiterentwicklung der Eurozone

"Es ist ja etwas los in der Welt"

Einen mäßigenden Einfluss im internationalen Handelsstreit, Risikoreduzierung in guten Zeiten und Ideen zur Weiterentwicklung der Eurozone – diese Themen standen für Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt bei der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington im Mittelpunkt. Vieles ist noch in der Diskussion und erfordert weitere Gespräche mit den internationalen Partnern. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bewertet Schmidt als gut. – Herr Staatssekretär Schmidt, dies ist Ihre erste Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Was ist für Sie in Washington besonders wichtig? Mit den Themen beschäftige ich mich schon länger. Das Entscheidende ist nun, die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern kennenzulernen – jenseits der Telefonkonferenzen und Abstimmungen vor solchen Tagungen. Deshalb ist es gut, wenn man persönlich zusammenkommt. Frühjahrstagungen des IWF sind ja so eine Art Familientreffen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat jenseits der offiziellen Runden viele bilaterale Gespräche am Rande geführt. Es ist ja etwas los in der Welt. – Welches Thema bestimmt die diesjährige Tagung aus Ihrer Sicht?Der Zustand der Weltwirtschaft und die Frage, ob es so gut weitergeht, wie es in den vergangenen zwölf Monaten gelaufen ist. Das verbindet sich mit Handelsfragen, aber im Finanzbereich auch mit Fragen der Schuldenstände in vielen Ländern. Wird das Zinsniveau so bleiben, wie es ist, und welche Auswirkung hätte es, wenn es sich veränderte? – Ist das auch die deutsche Sicht? Wir sind eine in die Weltwirtschaft hoch integrierte Volkswirtschaft. Insofern spielen diese Fragen auch für Deutschland eine große Rolle. Wir sind in einer sehr guten ökonomischen Lage. Die Steuereinnahmen sehen gut aus. Wir sind dabei, die Schuldenquote deutlich zu reduzieren, und gleichzeitig haben sich Spielräume ergeben, die die große Koalition nutzt, um zu investieren. Das ist für unsere internationalen Partner – Stichwort Handelsbilanzüberschuss – eine gute Nachricht.- Welche Signale gehen im internationalen Handelsstreit von der Tagung in Washington aus?Wir müssen herausfinden, wo die gemeinsamen Linien sind. Deutschland und die Europäische Union treten nachdrücklich für einen fairen internationalen Wettbewerb und offene Märkte ein. – Der IWF hat in diesen guten wirtschaftlichen Zeiten Risikoreduzierung auf die Agenda geschrieben. Was heißt das für Deutschland?Es geht vor allem um Themen, die uns in Europa umtreiben. Also die Frage der Schuldentragfähigkeit einzelner Eurogruppenmitglieder; die Frage, wie wir erreichen, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt überall eingehalten wird. Für Deutschland stellen sich viele dieser Fragen glücklicherweise im Moment nicht, da wir eine gute konjunkturelle Situation haben mit stabil guten Steuereinnahmen. Gleichzeitig müssen wir in die Zukunft investieren: in Infrastruktur zum Breitbandausbau, in die notwendigen Verbesserungen der sozialen Infrastruktur wie Schulbau oder Ganztagsbetreuung sowie in den sozialen Wohnungsbau – alles Vorhaben , die auch ökonomische Auswirkungen haben. – Die Risikoreduzierung in der Eurozone ist für Deutschland entscheidend, auch vor dem Hintergrund der verschiedenen Überlegungen, die Eurozone neu zu gestalten. Wie könnte Deutschland da einwirken? Das sind in der Tat Fragen, die wir gerade sehr intensiv diskutieren. Der Europäische Rat Ende Juni ist ein Datum, auf das alle schauen. Es gibt viele Gespräche zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch im Kreis der EU-27-Staaten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war gerade bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der deutsche Finanzminister ist im Gespräch mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire. Sie stehen alle hierzu im ständigen Kontakt. Das Thema hat auch hier in Washington eine große Rolle gespielt. – In der deutschen Heimat lief es dazu nicht so geschmeidig in den vergangenen Tagen. Die Kanzlerin hat der Unionsfraktion im Bundestag zur Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM eine Änderung der EU-Verträge als Beruhigungspille versprochen. Sind die Pläne damit gestorben, nachdem eine Vertragsänderung in Europa als nahezu unmöglich gilt?Das sind alles sehr komplexe Fragen. Deshalb diskutieren auch alle so intensiv darüber. Es ist selten klug, komplizierte Verhandlungen über die Medien zu führen. Das ist etwas, das man in vielen, vielen Gesprächen miteinander klären muss. – Die Verhandlungen sind nicht über die Medien, sondern im Bundestag geführt worden. Wir führen eine notwendige Debatte, in der es um wichtige Fragen zur Zukunft Europas geht. Der Bundestag ist der richtige Ort dafür – neben einigen anderen. Es gibt eine klare Haltung zur Rolle des Parlaments, dessen Rechte gewahrt bleiben. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig. Insofern bin ich da sehr entspannt. – Sie sind also hoffnungsvoll, dass sich zur Weiterentwicklung der Eurozone etwas bewegen wird? Ja. Es muss, insofern wird es. – Noch einmal zur globalen Ebene. Eine Erkenntnis aus Washington ist, dass die Antwort auf den zunehmenden Populismus ein wieder wachsendes Vertrauen der Bevölkerung in die Regierenden und die Staaten sein muss. Wie lässt sich dies realisieren?In der Tat hat das Thema Vertrauen auch hier in Washington bei der IWF-Tagung eine Rolle gespielt. Zentral ist, dass die Politik keine Versprechen macht, die sie nicht halten kann. Das, was sie versprochen hat, muss sie aber halten. Ein Beispiel aus Europa. Im Koalitionsvertrag steht: Der Brexit wird für Deutschland mit einem höheren Beitrag in den EU-Haushalt verbunden sein. – Das schwächt nicht die deutsche Verhandlungsposition? Nein, in der Vergangenheit ist hin und wieder der Fehler gemacht worden, kategorisch auszuschließen, dass man mehr zahlen werde, um am Ende doch mehr Beiträge leisten zu müssen. Jetzt haben die Koalitionäre verabredet, dass man das, was geschehen wird, schon vorher transparent macht. Das ist kein Blankoscheck und keine Aussage über die Höhe, aber es ist eine Tatsache, dass der Austritt Großbritanniens Folgen haben wird für den EU-Haushalt und damit für den größten Beitragszahler Deutschland. Es ist wichtig, dies anzukündigen, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was kommt. Durch diese Politik wird Vertrauen geschaffen. – Gehört zur Vertrauensbildung auch das Versprechen der schwarzen Null im Bundeshaushalt? Die schwarze Null steht im Koalitionsvertrag, sie steht im Übrigen auch im Grundgesetz. Angesichts sprudelnder Steuereinnahmen wäre es nicht sehr plausibel zu sagen, wir machen neue Schulden, um die Aufgaben zu finanzieren, die nun vor uns liegen. – In der SPD gibt es dazu andere Meinungen. So plädiert der DGB-Chef Reiner Hoffmann etwa für mehr Schulden, um Investitionen zu finanzieren. Das macht Ihnen keine Schwierigkeiten? Nein, ich habe wahrgenommen, dass sich alle sehr einig sind und dass niemand den Koalitionsvertrag in Frage gestellt hat. Ich weise im Übrigen vorsichtig darauf hin, dass im Koalitionsvertrag mit 46 Mrd. Euro eine Zahl steht, die für sogenannte prioritäre Maßnahmen vorgesehen ist. Da stecken sehr viele Investitionsvorhaben drin. – Als Staatssekretär im Vizekanzleramt sind Sie auch für die Koordination der SPD-Belange zuständig. Wie sieht die Job-Deskription aus? Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von ihrer Regierung, dass sie ordentlich arbeitet. Die unterschiedlichen Ressorts und die drei Koalitionspartner müssen zusammengebracht werden. Wir bemühen uns darum, die vielen Abstimmungen, die auf allen Ebenen mit den Koalitionspartnern nötig sind, so hinzubekommen, dass wir alle wichtigen Fragen einvernehmlich lösen können. – Neu installiert wurden 41 Leute. Ist das nötig?Im Kanzleramt sind 39 neue Stellen geschaffen worden, im Innenministerium 104 für das Thema Heimat. Das Finanzministerium ist kein Nebenkanzleramt, aber wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass das Regierungsgeschäft läuft. Dazu muss koordiniert und organisiert werden – und dazu braucht es diese Leute.—-Das Interview führte Angela Wefers.