Etappensieg für Renzi

Senat stimmt Verfassungsreform zu - Kurswechsel zur Wachstumspolitik

Etappensieg für Renzi

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandFür Italiens Regierungschef Matteo Renzi läuft es in diesen Tagen rund. Nachdem der Bürgermeister von Rom zu Wochenbeginn seinen Rücktritt erklärte, hat der Senat gestern der Verfassungsreform zugestimmt. Und bis Freitag soll die Regierung das Stabilitätsgesetz präsentieren, das nicht nur von Brüssel, sondern auch noch vom Parlament abgesegnet werden muss. Dem Reformpaket stimmten 179 Senatoren zu bei 16 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen. Laut dpa-afx hatten zahlreiche Senatoren der Opposition vor der Abstimmung den Saal verlassen.Zweifellos hat der Rücktritt des römischen Bürgermeisters Ignazio Marino, der monatelang von Renzi unterstützt wurde, der Regierungspartei geschadet. Diese liegt nach den jüngsten Meinungsumfragen mit 32 % nur mehr knapp vor der 5-Sterne-Bewegung (M5S) mit 28 %. Marino hat zwar bei seinen Spesenabrechnungen geschwindelt, war aber nicht korrupt im Sinn von Unterschlagung oder illegalen Auftragszuteilungen. Der gelernte Herzchirurg war einfach seiner Aufgabe als Bürgermeister Roms nicht gewachsen. Nun soll ein Sonderkommissar vorübergehend Rom regieren. Wahlen sind für das Frühjahr 2016 angesagt.Die Verfassungsreform ist einer der wichtigsten Punkte im Regierungsprogramm. Sie sieht die weitgehende Entmachtung des Senats vor, um den Gesetzgebungsprozess zu vereinfachen und Reformen zu beschleunigen. Im bislang herrschenden “perfekten Zweikammersystem” mussten beide Kammern des Parlaments neuen Gesetzen mehrmals zustimmen. Künftig soll der Senat nur noch bei Verfassungsänderungen, bei Wahlrechtsreformen und bei der Ratifizierung von internationalen Verträgen mitbestimmen. Nachdem die Verfassungsänderung nun die vierte Lesung im Senat überstanden hat, muss im Januar die Abgeordnetenkammer nochmals zustimmen. Im Sommer 2016 will Renzi die Reform auch dem Volk zur Abstimmung vorlegen, denn “das Land wartet seit 70 Jahren auf diese Reform”. Die Verfassungsänderung dürfte frühestens Ende 2016 in Kraft treten. Gegenwind aus der PolitikDer Chef der Mailänder Großbank Intesa Sanpaolo, Carlo Messina, ist der Ansicht, dass die Verfassungsreform Italien nicht nur regierbarer macht, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit fördert. “Mit dem Gelingen der Senatsreform wächst der Druck, Italien künftig schneller zu reformieren, um die strukturelle wirtschaftliche Wachstumsschwäche zu überwinden”, meint der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier.Zweifellos hat die ursprünglich mit der Oppositionspartei ausgearbeitete Verfassungsreform zahlreiche politische Gegner. Sowohl M5S wie auch Lega Nord und Forza Italia stellen sich dagegen. Aber auch innerhalb der Regierungspartei gibt es Protest. Statt der bislang direkt gewählten 315 Senatsmitglieder sollen es künftig nur mehr 100 sein. Und nur wenige von ihnen sollen direkt gewählt, die Mehrheit von den Regionen nominiert werden. Außerdem wird der Ministerpräsident künftig nur noch vom Abgeordnetenhaus gewählt. Politische Beobachter sind überzeugt, dass die Verfassungsreform letztendlich die parlamentarische Hürde schaffen wird. Schließlich zählt Italiens Parlament 630 Abgeordnete und 315 Senatoren. “In Amerika sind es 425 plus 100 und die sind nicht weniger demokratisch als wir”, meinte Renzi.Der 40-jährige Regierungschef hat in den letzten 18 Monaten nicht nur die Arbeitsmarkt-, Justiz-, Schul- und die Wahlrechtsreform verabschiedet. Im Sommer wurde die Reform der öffentlichen Verwaltung abgesegnet. Nun muss die Regierung Hand an die Rentenreform anlegen, um die Ausgaben für die gesetzliche Rentenvorsorge zu senken. Dies soll im Stabilitätsgesetz verankert werden. Laut jüngsten Angaben sieht das Gesetz auch erhebliche Steuererleichterungen vor. Nach jahrelanger Austeritätspolitik basiert das Stabilitätsgesetz erstmals auf Wachstumsmaßnahmen – auf Kosten des Abbaus der Neuverschuldung.