EU-Energieminister beschließen Gewinnabschöpfungen
ahe Brüssel
Bei einem weiteren Krisentreffen haben sich die EU-Energieminister wie erwartet auf koordinierte Notfallinterventionen auf den Strommärkten verständigt. Die geplante Verordnung, die nun in den nächsten Tagen formell in einem schriftlichen Verfahren angenommen werden soll, enthält Gewinnabschöpfungen bei Versorgern, die ihren Strom nicht mit Gas produzieren, sowie Stromsparziele und einen Solidaritätsbeitrag von Unternehmen aus den Öl-, Gas- und Kohlesektoren. Der tschechische Industrieminister Jozef Sikela, der die Sitzung in Brüssel geleitet hatte, betonte im Anschluss, dass dies nicht das letzte Paket auf dem Energiemarkt gewesen sei. Sikela forderte die EU-Kommission auf, jetzt möglichst schnell auch Gesetzesvorschläge zur Dämpfung der außerordentlich hohen Gaspreise vorzulegen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die beschlossenen Maßnahmen ebenfalls als „gut und richtig“ und kündigte an, Deutschland werde sie schnell umsetzen. Habeck wies in Brüssel zugleich Kritik zurück, das zuvor beschlossene deutsche 200-Mrd.-Euro-Paket zur Abfederung der Energiekrise sei unsolidarisch. Andere EU-Länder hätten ähnliche Maßnahmen schon lange vorher beschlossen. Der deutsche Ansatz sei nur breiter.
Bei der Debatte über einen allgemeinen Gaspreisdeckel lagen die Ansichten erneut weit auseinander. Mehrere Länder befürchten Risiken für die Versorgungssicherheit, sollte eine solche Preisobergrenze eingeführt werden. Die österreichische Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler verwies darauf, dass auch ihr Land von Gaslieferungen abhängig sei. Die Versorgungssicherheit müsse oberste Priorität haben. Sie habe die Sorge, dass bei einem Preisdeckel Gaslieferungen eingestellt würden.
Habeck warnte, es würde Europa „an die Grenze seiner Belastbarkeit bringen“, wenn künftig politisch entschieden werden sollte, wohin bei Mangelsituationen das Gas fließen solle und wohin nicht. Hier müsse es andere Lösungen geben. Er rechne aber damit, dass auch hier eine Einigung noch möglich sei. Eine breite Unterstützung – der sich auch Habeck anschloss – erhielt aber der Vorschlag, eine gemeinsame Gaseinkaufsplattform zu gründen.
Spezielle KMU-Hilfen
Im Einzelnen einigte sich der Energieministerrat darauf, den Bruttostromverbrauch freiwillig um 10% zu senken. Ein verbindliches Reduktionsziel von 5% gilt für den Stromverbrauch in Spitzenzeiten. Dies gilt vom 1. Dezember bis zum 31. März nächsten Jahres. Die Mitgliedstaaten werden für diese Zeit zunächst 10% der jeweiligen Spitzenverbrauchsstunden ermitteln, innerhalb derer dann der Verbrauch reduziert werden soll. Wie dies genau geschehen soll, wird jedes Land selbst festlegen können. Bei der Gewinnabschöpfung auf dem Strommarkt zogen die Energieminister – wie von der EU-Kommission vorgeschlagen – eine Obergrenze für die Markterlöse bei 180 Euro je Megawattstunde (MWh) für Stromerzeuger und Stromzwischenhändler ein, die sogenannte „inframarginale Technologien“ wie erneuerbare Energien, Kernkraft und Braunkohle zur Stromerzeugung einsetzen. Die EU-Staaten sollen allerdings falls nötig flexibel auch andere Grenzen setzen können, um besser zwischen einzelnen Technologien differenzieren und nationale Besonderheiten berücksichtigen zu können.
Habeck verwies darauf, dass auch Deutschland diese Möglichkeit nutzen werde. Bei Biogas könnten beispielsweise wegen der hohen Produktionskosten auch höhere Obergrenzen notwendig sein. Bei anderen erneuerbaren Energien sei der Deckel möglicherweise zu hoch.
Der obligatorische, befristete Solidaritätsbeitrag, der von Unternehmen in den Sektoren Erdöl, Erdgas, Kohle und Raffinerien entrichtet werden soll, wird auf Basis der steuerpflichtigen Gewinne berechnet, die nach den nationalen Steuervorschriften 2022 und/oder 2023 ermittelt werden. Fällig wird der Beitrag, wenn der Gewinn 20% über dem durchschnittlichen Niveau seit 2018 liegt. Der Beitrag wird dann zusätzlich zu den regulären Steuern und Abgaben erhoben. Die Staaten müssen mit den Einnahmen der Sonderabgabe besonders belastete Haushalte entlasten, Energieeinsparungen und erneuerbare Energien fördern oder energieintensiver Industrie helfen.
Die Energieminister einigten sich zudem auf spezielle Hilfen für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU): Die Mitgliedstaaten werden vorübergehend einen Strompreis für diese Unternehmen festlegen können. Dabei sollen sie „ausnahmsweise und vorübergehend“ auch einen Preis für die Lieferung von Elektrizität festlegen können, der unterhalb der Produktionskosten liegt.