EU-Gipfel zeigt großen Reformeifer

Ratspräsident Tusk soll bis Mitte Oktober genauen Fahrplan vorlegen - Merkel lobt Macron-Ideen

EU-Gipfel zeigt großen Reformeifer

In der EU nimmt die Reformdebatte immer mehr an Fahrt auf. Bereits in zwei Wochen soll ein genauerer Fahrplan vorliegen, wie es weitergehen soll. Die von Emmanuel Macron vorgelegten Vorschläge für eine Runderneuerung der EU wurden auch auf dem Digitalgipfel in Tallinn groß diskutiert – und drängten die eigentliche Agenda an den Rand.ahe Brüssel – Die EU-Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem informellen Treffen in Tallinn Ratspräsident Donald Tusk beauftragt, bis Mitte Oktober Vorschläge für einen genaueren Reformfahrplan vorzulegen. Es geht um grundlegende Weichenstellungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Asylpolitik der Union. Am 18. Oktober ist bereits ein Sozialgipfel angesetzt. In den beiden Folgetagen soll die Reformagenda dann Thema auf dem “normalen” EU-Gipfel in Brüssel sein. Und im Dezember folgt dann noch ein Euro-Gipfel.Die EU-Kommission will in der Zwischenzeit Vorschläge zur Vollendung der Bankenunion (siehe BZ vom 29. September) und am 6. Dezember zur Vertiefung der Währungsunion vorlegen.”Wir sind alle überzeugt, dass Europa schneller und weiter vorangehen muss”, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der mit seinen Reformideen im Mittelpunkt des Treffens in der estnischen Hauptstadt stand. Grundsätzliche Unterstützung erhielt er auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den übrigen EU-Partnern einem Reuters-Bericht zufolge zusagte, dass die anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin die europapolitischen Debatten nicht verzögern würden.”Ich bin der festen Überzeugung, dass Europa nicht einfach stehenbleiben darf”, betonte Merkel. Dies betreffe neben der Eurozone auch die Verteidigungs- und die Asylpolitik. Die Kanzlerin sprach von einem “Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen Deutschland und Frankreich”, verwies aber auf “Details”, die noch diskutiert werden müssten. Deutschland werde auch noch eigene Vorschläge etwa zur Reform der Eurozone vorlegen – zum Beispiel in Bezug auf eine Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds.Weiter vorankommen will die EU auch bei der Digitalisierung. Dies war auf Initiative der estnischen Ratspräsidentschaft auch der eigentliche Grund für das Treffen in Tallinn gewesen. Konkret diskutiert wurden nach Angaben des estnischen Ministerpräsidenten Jüri Ratas Digitallösungen für die öffentliche Verwaltung (“E-Governance”) und eine Stärkung des Bereichs Cybersicherheit. Alle Mitgliedstaaten hätten sich zudem uneingeschränkt verpflichtet, den digitalen Binnenmarkt in der EU bis Ende 2018 auch umzusetzen. Der Wirtschaftsverband BusinessEurope forderte hier noch einmal ein klares Engagement: “Unternehmen wollen ein Ende von ungerechtfertigten nationalen Maßnahmen sehen, die den freien Fluss von nicht personenbezogenen Daten in Europa einschränken.”Uneinigkeit zeigte sich auf dem Gipfel erneut bei der Frage einer stärkeren Besteuerung der Digitalwirtschaft. “Wenn wir mehr Innovation haben wollen, ist die Lösung nicht mehr Steuer und mehr Regulierung”, warnte der irische Ministerpräsident Leo Varadkar. Vor zwei Wochen bei Diskussionen der EU-Finanzminister zu diesem Thema hatten sich auch andere kleinere EU-Staaten besorgt gezeigt. Frankreich, Deutschland und andere Staaten hatten für die rasche Einführung einer “Ausgleichssteuer” plädiert.