EU-Kommission leitet Verfahren gegen Polen ein
dpa-afx Brüssel
Wegen umstrittener Urteile des polnischen Verfassungsgerichts zum Status von EU-Recht geht die EU-Kommission rechtlich gegen das Land vor. Die Brüsseler Behörde leitete am Mittwoch ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren ein, das mit einer weiteren Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und schließlich mit finanziellen Sanktionen gegen Warschau enden könnte.
Nach Ansicht der EU-Kommission verstoßen die Urteile des polnischen Verfassungsgerichts unter anderem gegen den Vorrang und das Prinzip der einheitlichen Anwendung des EU-Rechts sowie gegen die bindende Wirkung von EuGH-Urteilen. Zudem äußerte die Brüsseler Behörde erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Verfassungsgerichts. Hintergrund der Entscheidung ist unter anderem ein Urteil des Verfassungsgerichts von Anfang Oktober, wonach Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind. Dies stellt einen Eckpfeiler der europäischen Rechtsgemeinschaft in Frage. Konkret ging es um die Anwendung einstweiliger EuGH-Verfügungen, die sich auf das Gerichtssystem des Landes beziehen.
Schon einen Tag nach dem Oktober-Urteil machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unmissverständlich die Position ihrer Behörde deutlich: „Das EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen. Diesem Grundsatz haben sich alle EU-Mitgliedstaaten als Mitglieder der Europäischen Union verschrieben.“ Die EU-Kommission werde „von allen Befugnissen, die uns die Verträge verleihen, Gebrauch machen, um diesem Grundsatz Geltung zu verschaffen“.