EU macht Tempo bei der Mindestbesteuerung
ahe Brüssel
Die EU-Kommission hat Vorschläge für die Einführung einer effektiven Mindestbesteuerung von 15% im Unternehmenssektor auf den Tisch gelegt. Die Richtlinie soll die entsprechende globale Verständigung unter 137 Ländern und Gebietskörperschaften aus dem Oktober umsetzen. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte in Brüssel, der Vorschlag orientiere sich sehr eng an den Einigungen auf OECD/G20-Ebene und verzichte damit auf ein „Gold Plating“. Es gehe darum, dem Steuerwettlauf um die niedrigsten Sätze ein Ende zu bereiten.
Die EU-Kommission hofft jetzt auf eine schnelle Billigung der Vorlagen durch die Co-Gesetzgeber – möglichst noch im ersten Halbjahr 2022 unter französischer Ratspräsidentschaft. Gentiloni verwies darauf, dass alle EU-Staaten der globalen Einigung zugestimmt hätten, auch wenn anfangs Estland, Ungarn und Irland noch nicht dabei waren.
Die Umsetzung der Säule-1-Beschlüsse soll dann im ersten Halbjahr beginnen. Im Sommer will die EU-Kommission dann eine weitere Richtlinie zur geplanten Neuzuweisung von Besteuerungsrechten vorlegen. Vorher muss aber noch das entsprechende multilaterale Übereinkommen unterzeichnet werden. Dabei geht es um die Verteilung der Besteuerungsrechte an den Gewinnen der größten und rentabelsten multinationalen (Digital-)Unternehmen zwischen den Ländern.
Die jetzt erst einmal vorgeschlagenen Vorschriften für die zweite Säule sollen für große inländische und internationale Konzerne mit einem Jahresumsatz von über 750 Mill. Euro gelten, die mit ihrer Mutter- oder einer Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind. Unternehmen aus dem Finanzsektor gehören auch dazu, nicht aber staatliche Unternehmen oder internationale Organisationen.
Der effektive Steuersatz wird für jedes Steuergebiet festgestellt. Liegt dieser für ein Unternehmen in einem bestimmten Gebiet unter dem Mindestsatz von 15%, so wird der Konzern nachbesteuert. Diese sogenannte Top-up-Steuer gilt unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft in einem Land ansässig ist, das der internationalen Vereinbarung beigetreten ist oder nicht.
Zuversicht auch für USA
Entsprechend den globalen Vereinbarungen sieht der Brüsseler Vorschlag einige Ausnahmen vor: So können Unternehmen etwa Einkünfte von 5% des Wertes der materiellen Vermögenswerte und 5% der Lohnsumme von der Regelung ausnehmen. Außerdem ist eine Ausnahme für geringe Gewinne vorgesehen. Für die ersten zehn Jahre gilt zudem eine Übergangsregelung, der zufolge die Substanzausnahmen zunächst 8% des Buchwertes der materiellen Vermögenswerte und 10% der Lohnsumme betragen. Diese Prozentsätze werden schrittweise gesenkt.
Gentiloni zeigte sich zuversichtlich, dass es auch den USA gelingen werde, trotz der zuletzt schwierigen Gespräche einen Umsetzungsvorschlag vorzulegen. Die USA seien ganz entscheidend dafür gewesen, dass auch die EU zu dem Abkommen zu bewegen war, sagte er.
Die Kommission ergänzte den Vorschlag für die Mindestbesteuerung noch mit einer neuen Initiative gegen Briefkastenfirmen innerhalb der EU, die missbräuchlich für „aggressive Steuerplanung“ oder gar Steuerhinterziehung genutzt werden. Eingeführt werden sollen neue Transparenzregeln, die Überwachungs- und Berichterstattungspflichten für Briefkastenfirmen mit sich bringen. Die Brüsseler Behörde hofft, dass die neuen Vorgaben Anfang 2024 in Kraft treten. Sie will 2022 noch einmal nachlegen und dann auch Vorschläge für Briefkastenfirmen außerhalb der EU vorlegen.
Der jetzige Vorschlag gibt zunächst drei konkrete Kriterien vor, anhand derer die nationalen Steuerbehörden einfacher feststellen können, ob Firmen lediglich auf dem Papier bestehen: Ist dies der Fall, gelten für diese Unternehmen neue steuerliche Aufzeichnungspflichten und sie verlieren ihren Anspruch auf Steuervergünstigungen. Dies werde beim Kampf gegen missbräuchliche Steuerpraktiken erheblich helfen, betonte Gentiloni.