Verbraucherpreise

Euro-Inflation springt auf 10 Prozent

Der unerwartet starke Inflationsanstieg in Deutschland ließ nichts Gutes vermuten, und tatsächlich ist im September auch die Teuerung im Euroraum zweistellig.

Euro-Inflation springt auf 10 Prozent

ms Frankfurt

Erstmals seit Einführung des Euro hat die Inflationsrate die 10-Prozent-Marke geknackt – was den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht, ihre Leitzinsen trotz Rezessionssorgen weiter kräftig zu erhöhen. Im September machte die Teuerungsrate einen unerwartet kräftigen Sprung von 9,1% auf 10,0%, wie Eurostat am Freitag mitteilte. Damit könnte zwar womöglich der Höhepunkt erreicht sein, aber eine rasch deutlich sinkende Rate ist unwahrscheinlich. Zudem breitet sich der Preisdruck immer stärker aus. Damit wird eine erneute Zinserhöhung der EZB um 75 Basispunkte im Oktober wahrscheinlich – worauf auch jüngste Aussagen aus dem EZB-Rat hindeuten.

Womöglich der Höhepunkt

Beobachter hatten mit einem neuerlichen Anziehen der Inflationsrate gerechnet, aber nicht in dem Ausmaß. Stärkster Inflationstreiber im September waren erneut die infolge des Ukraine-Kriegs immer weiter hochschießenden Energiepreise. Binnen Jahresfrist verteuerte sich Energie im September um 40,8%. Im August hatte der Anstieg noch bei 38,6% gelegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak kletterten um 11,8% – nach 10,6% im August. Ein wichtiger Faktor war auch der Wegfall staatlicher Maßnahmen in Deutschland, etwa des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts. In Deutschland war die EU-harmonisierte Inflation im September von 8,8% auf 10,9% hochgeschnellt.

Mit den jetzt erreichten 10% im Euroraum insgesamt könnte der zyklische Hochpunkt erreicht sein. Ab Oktober sprechen zumindest Energiepreisobergrenzen, negative Basiseffekte und eine Abschwächung der Verbrauchernachfrage für eine sinkende Inflation. Ein rascher Rückgang zeichnet sich indes nicht ab. So erwartet etwa auch Jörg Angelé, leitender Volkswirt bei Bantleon, dass die Inflationsrate noch Ende des Jahres bei rund 9% liegen wird.

Zugleich wächst der zugrundeliegende Preisdruck – weil sich die Teuerung zunehmend in der Wirtschaft ausbreitet. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel machte im September ebenfalls einen kräftigen Satz von zuvor 4,3% auf 4,8% – und für die nächsten Monaten erscheinen weitere Anstiege wahrscheinlich. „Es ist beängstigend, dass der Inflationsanstieg rasant breiter wird“, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Auch der schwache Euro treibe den Inflationsanstieg an.

Eine anhaltend hohe Inflation und ein sich ausbreitender Preisdruck schüren auch Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale, mit der sich die Inflation weiter verfestigen könnte. Vor dem Hintergrund sieht auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer den Anstieg der Inflationserwartungen der Verbraucher mit Sorge. „Diese Entankerung der langfristigen Inflationserwartungen ist gefährlich“, sagte Krämer. „Die EZB sollte ihren Einlagensatz rasch in Richtung 4% anheben.“ Aktuell liegt dieser für die Finanzmärkte derzeit maßgebliche Schlüsselzins bei 0,75%. Die Inflationserwartungen sind auch im besonderen Fokus der EZB.

Nach langem Zögern hatte die EZB im Juli mit einer Anhebung um 50 Basispunkte die Zinswende eingeleitet und im September mit 75 Punkten nachgelegt – ein Rekordschritt. Sie hat weitere Zinsschritte avisiert. Tempo und Um­fang sind aber unklar und im EZB-Rat teils um­stritten. Zuletzt hatten sich die Stimmen für eine weitere kräftige Zinsanhebung um 75 Basispunkte bei der Sitzung Ende Oktober gemehrt (vgl. BZ vom 29. und 30. September).

Visco und Lane warnen

Am Freitag warnte aber Italiens No­tenbankchef Ignazio Visco vor zu starken Leitzinserhöhungen. „Die steigende Inflation geht jetzt mit einer plötzlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Wachstumsaussichten einher“, sagte Visco. „Vor diesem Hintergrund erhöhen zu rasche und deutliche Zinserhöhungen das Risiko einer Rezession.“ Die EZB solle sich nicht an anderen Zentralbanken orientieren. Zuvor hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane vor einer Übertreibung bei der Zinsnormalisierung gewarnt.

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