Verbraucherpreise

Euro-Inflation über­rascht mit neuem Rekord­hoch

Die Inflation im Euroraum übertrifft weiter alle Erwartungen und eilt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Damit steigt der Druck auf die EZB, der ersten Zinserhöhung seit elf Jahren weitere kräftige Anhebungen folgen zu lassen.

Euro-Inflation über­rascht mit neuem Rekord­hoch

ms Frankfurt

Die Inflation im Euroraum übertrifft weiter alle Erwartungen und eilt unbeirrt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Damit steigt der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), der ersten, überraschend starken Zinserhöhung seit elf Jahren weitere kräftige Zinsanhebungen folgen zu lassen. Zugleich steckt die EZB aber in einem Dilemma, weil die Rezessionsgefahr zu­nimmt – auch wenn die Euro-Wirtschaft im zweiten Quartal unerwartet gut abgeschnitten hat.

Im Juli kletterte die Inflationsrate im Euroraum auf 8,9%, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist erneut ein absolutes Rekordhoch seit Einführung des Euro im Jahr 1999. Volkswirte hatten dagegen mit einer zum Juni unveränderten Rate von 8,6% gerechnet. Haupttreiber war erneut die Energie. Die Energiepreise verteuerten sich auf Jahressicht um 39,7%. Aber auch Lebensmittelpreise zogen erneut stark an – um 11,0% auf Jahressicht. Vor allem die hohen Energie- und Nahrungspreise belasten viele Bürger.

Zugleich breitet sich die Inflation immer weiter in der Wirtschaft aus. Die sogenannte Kernrate ohne Energie und Lebensmittel legte ebenfalls unerwartet stark von zuvor 3,7% auf 4,0% zu. Dienstleistungen verteuerten sich um 3,7% und Industriegüter ohne Energie um 4,5%. Das spricht dafür, dass die Unternehmen ihre Kosten weiter an die Konsumenten weiterreichen. „Der nächste Inflationsschock“, kommentierte Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank: „Das Inflationsproblem wird immer größer.“ Die große Sorge gilt nun der Lohnentwicklung. Eine Lohn-Preis-Spirale droht die hohe Inflation zu verfestigen.

In Spanien knackte die Inflationsrate im Juli sogar die 10-Prozent-Marke. Die nach europäischer Me­thode gemessenen Verbraucherpreise (HVPI) erhöhten sich im Jahresvergleich um 10,8%, wie das nationale Statistikamt INE am Freitag mitteilte. Das war stärker als erwartet. Im Vormonat hatte die Rate 10,0% betragen. In Italien sank die hohe Inflationsrate im Juli dagegen un­erwartet etwas. Der HVPI stieg um 8,4%, wie das Statistikamt Istat mitteilte. Im Juni war die Inflationsrate mit 8,5% auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro gestiegen. Volkswirte hatten nun mit einem Anstieg der Rate auf 8,8% gerechnet.

Die neuerliche negative Inflationsüberraschung im Euroraum setzt die EZB weiter unter Zugzwang. Vergangene Woche hatte sie erstmals seit 2011 ihre Leitzinsen angehoben und das unerwartet gleich um 50 statt der zuvor angekündigten 25 Basispunkte. Als wesentlichen Grund dafür hatte sie das erneut verschlechterte Inflationsumfeld genannt.

Die neuen Daten vom Freitag schürten nun Spekulationen, dass der EZB-Rat bei seiner nächsten Sitzung im September eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte folgen lassen könnte. Die Euro-Hüter hatten vergangene Woche zwar weitere Zinsschritte avisiert, sich aber zur Höhe explizit nicht ausgelassen. Euro-Notenbanker hatten sich hernach unterschiedlich geäußert: Einige liebäugelten mit 50 Basispunkten, andere eher mit 25 Basispunkten.

Hintergrund ist auch die Sorge um die Euro-Wirtschaft. Zuletzt hatte es eine ganze Reihe negativer Konjunkturdaten gegeben, die auch eine er­höhte Rezessionsgefahr signalisiert hatten. Inwieweit eine Rezession ausgemachte Sache ist, ist aber umstritten. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft überraschend kräftig (siehe Text oben auf dieser Seite).

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