Euro-Wirtschaft steht besser da
ms/lz Frankfurt
Die Wirtschaft in der Eurozone ist im zweiten Quartal viel stärker gewachsen als erwartet – und das, obwohl die deutsche Wirtschaft unerwartet nur stagniert hat. Die am Freitag veröffentlichten Daten aus dem Euroraum und den größten Volkswirtschaften zeichnen damit ein positiveres Bild der Euro-Wirtschaft als zuletzt unterstellt. Für die kommenden Quartale haben sich die Aussichten indes zuletzt deutlich verschlechtert. Inwieweit eine Rezession droht, bleibt aber umstritten. Das hat auch wesentlichen Einfluss auf den weiteren Zinskurs der Europäischen Zentralbank (EZB).
Spanien wächst kräftig
Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Euro-Länder zum Vorquartal um 0,7%, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt nur mit 0,2% gerechnet. Im ersten Quartal lag das Plus bei 0,5%. „Die BIP-Zahlen zum zweiten Quartal unterstreichen, dass die Aufhebung der Corona-Restriktionen seit dem Frühjahr für kräftigen konjunkturellen Rückenwind in Europa gesorgt hat“, sagte Daniel Hartmann, Chefvolkswirt bei Bantleon.
Das deutlichste Wachstum im Euroraum verzeichnete von den Ländern, die bereits Daten veröffentlicht haben, Spanien. Hier wuchs die Wirtschaft zum Vorquartal um 1,1%. In Italien stieg das BIP um 1,0% und in Frankreich um 0,5%. Diese Wachstumsraten lagen allesamt teils deutlich über den Prognosen der Experten.
Dagegen enttäuschte die deutsche Wirtschaft mit einer Stagnation. Ökonomen hatten zumindest mit einem kleinen Plus von 0,1% gerechnet. Gestützt wurde die Wirtschaft im Frühjahr vor allem von den privaten und staatlichen Konsumausgaben, während der Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum dämpfte. Die Weltwirtschaft leidet nicht zuletzt unter den weiter gestörten Lieferketten und dem Krieg in der Ukraine.
Dafür ist die deutsche Wirtschaft Anfang des Jahres noch deutlich besser gelaufen als gedacht: Destatis revidierte das BIP-Plus für das erste Quartal auf 0,8% von zunächst genannten 0,2% nach oben.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft bereits in einem Abschwung befindet. Wie schlimm es am Ende komme, liege vor allem in den Händen von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Käme es zu einem kompletten Stopp der Gaslieferungen, wäre eine tiefe Rezession unvermeidlich“, sagte Krämer. Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Index haben zuletzt durch die Bank enttäuscht.
Dagegen betonte Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, dass trotz des aktuell verbreiteten Pessimismus eine Rezession keineswegs ausgemachte Sache sei. „Gegen eine Rezession spricht, dass sich der private Konsum noch aus den seit Beginn der Pandemie hohen zusätzlichen Ersparnissen speisen kann und bei den privaten Haushalten nach den pandemiebedingt eingeschränkten Konsummöglichkeiten weiterhin Nachholbedarf besteht.“ Zudem, so Jannsen, verfügten die Unternehmen über hohe Auftragsbestände, die es ihnen erlauben, auch bei einer vorübergehenden Auftragsflaute oder Stornierungen von Aufträgen ihre Produktion auszuweiten, wenn die Lieferengpässe nachlassen.
Auch im Euroraum ist umstritten, inwieweit eine Rezession droht. Je robuster sich die Euro-Wirtschaft trotz aller Widrigkeiten hält, desto entschlossener dürfte indes die EZB ihre Zinswende vollziehen. Vergangene Woche hatte der EZB-Rat erstmals seit elf Jahren seine Leitzinsen angehoben. Einige Notenbanker argumentieren, dass notfalls auch eine Rezession in Kauf genommen werden müsste, um die Inflation in Schach zu halten.