Einkaufsmanagerindex

Euro-Wirtschaft vor Abkühlung

Die Unternehmensstimmung hat sich im Euroraum im Oktober überraschend kräftig eingetrübt. Positiv dürfte der EZB-Rat auf der anstehenden Sitzung aber werten, dass die langfristigen Inflationserwartungen auf die 2-Prozent-Zielmarke gestiegen sind.

Euro-Wirtschaft vor Abkühlung

ba Frankfurt

Im dritten Quartal wird die Wirtschaft im Euroraum genauso wie in Deutschland noch um 1,5% bis 2% zulegen, bevor dann zum Jahresausklang eine deutlich langsamere Gangart bevorsteht. Angesichts steigender Corona-Zahlen, der anhaltenden Lieferprobleme und Materialengpässe sowie der kräftig zulegenden Energiepreise gilt dies unter Ökonomen als ausgemachte Sache und wird vom vorläufigen Ergebnis der Einkaufsmanagerumfrage für Oktober belegt. Weitere dementsprechende Signale für die deutsche Wirtschaft werden kommende Woche wohl der Ifo-Geschäftsklimaindex sowie das GfK-Konsumklima bringen, für die jeweils leichte Rückgänge erwartet werden, bevor die Statistikämter Destatis und Eurostat am Freitag die erste Schnellschätzung zum Wirtschaftswachstum im dritten Quartal vorlegen.

Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex PMI Composite ist im Oktober überraschend kräftig um 1,9 auf 54,3 Punkte gefallen, liegt damit aber weiter deutlich über der Marke von 50 Zählern – Werte darüber signalisieren Wachstum (siehe Grafik). Ökonomen hatten das dritte Minus in Folge erwartet, nachdem der Index im Juli noch ein 15-Jahres-Hoch erreicht hatte.

„Der Rückgang kommt gewissermaßen mit Ansage“, urteilt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank: Das verarbeitende Gewerbe konnte wegen der Knappheitsprobleme von den vollen Auftragsbüchern nur bedingt profitieren, dazu kämen noch die deutlich gestiegenen Energiepreise – daher sei es sogar erstaunlich, dass der entsprechende Einkaufsmanagerindex nicht noch deutlicher nachgegeben habe. IHS Markit verzeichnet ein Minus von 0,1 auf 58,5 Punkte.

Im Dienstleistungssektor hingegen ließen Nachholeffekte nach, während zugleich „eine gewisse Furcht vor dem nahenden Winter“ herrschen dürfte, erklärte Gitzel zum Rückgang des Dienstleistungs-PMI um 1,7 auf 54,7 Zähler. Die Stimmungseintrübung zog sich quer durch alle von der Umfrage betrachteten Länder – am stärksten aber kühlte sich die Wirtschaft in Deutschland ab. Der PMI Composite sank um 3,5 auf 52,0 Punkte, das ist der tiefste Wert seit Februar. In Frankreich fiel er ebenso wie in den übrigen Ländern auf den tiefsten Wert seit April.

Die Störungen in den Lieferketten stellten weiter ein „großes Problem“ dar, so dass die Verkaufspreise für Waren und Dienstleistungen so rasant wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr gestiegen waren. Dies werde sich „in den kommenden Monaten unweigerlich in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen“, warnte IHS-Markit-Chefökonom Chris Williamson. Die langfristigen Inflationserwartungen sind derweil erstmals seit September 2014 auf die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von genau 2% geklettert. Der Five-Year-Five-Year-Forward signalisiert, dass Anleger an der Börse zwischen 2026 und 2031 durchschnittlich eine Teuerungsrate von 2,0% erwarten. Zu Jahresbeginn lag der Erwartungswert bei 1,3%.

Der sich verfestigende Trend mit nachlassender Wirtschaftsdynamik und anhaltendem Preisdruck erschwert die Lage für die EZB, die am Donnerstag tagt und im Herbst und Winter vor wegweisenden Entscheidungen steht. Die meisten EZB-Granden sehen den Inflationsanstieg weiter als primär temporär. Aber auch in der Notenbank wachsen die Bedenken. Zugleich gibt es jedoch die Sorge vor einem Ende des Aufschwungs. Inzwischen nimmt auch die Debatte über eine Stagflation zu, also einer Situation mit wirtschaftlicher Stagnation und hoher Inflation. In den Wintermonaten könnte das zumindest zeitweise wahr werden.

Bei der Sitzung am Donnerstag ist noch nicht mit Entscheidungen zu rechnen – diese sind für Dezember avisiert. Trotzdem erhoffen sich Beobachter erste wichtige Signale. Laut einer am Freitag veröffentlichten Bloomberg-Umfrage erwarten Volkswirte, dass der EZB-Rat das 1,85 Bill. Euro umfassende Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP im März 2022 auslaufen lässt, aber dann das parallele Anleihekaufprogramm APP aufstockt und mit mehr Flexibilität versieht. Diese Flexibilität ist im EZB-Rat heftig umstritten.

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