Euro zieht in Italien wieder Wähler an

Positionswechsel bei großen politischen Parteiblöcken knapp zwei Monate vor dem Urnengang

Euro zieht in Italien wieder Wähler an

Zwei Monate vor der Parlamentswahl in Italien versprechen die Parteien das Blaue vom Himmel. Bislang summieren sich die Wahlgeschenke auf 200 Mrd. Euro. Das jüngst besiegelte Mitte-rechts-Bündnis erscheint derzeit als Gewinner der Wahl. Doch deren Ausgang bleibt ungewiss.Von Thesy Kness-Bastaroli,MailandKnapp zwei Monate vor der Parlamentswahl am 4. März ist der Wahlkampf in Italien voll entbrannt. Tagtäglich werden von den Parteien neue attraktive Wahlgeschenke versprochen. Sie reichen von einer Flat Tax von 15 oder 23 % (Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi) bis zu einer Mindestrente von 1 000 Euro (Fünf-Sterne-Bewegung M5S), von der Steuerfreiheit für das erste Auto, der Abschaffung von Sozialbeiträgen für jugendliche Arbeitnehmer (PD) bis zum Gratisfernsehen (PD). Berlusconi schlägt auch ein Bürgereinkommen von 780 Euro monatlich vor, das mehr oder weniger dem von M5S ins Spiel gebrachte Mindesteinkommen entspricht.Laut Schätzung der Tageszeitung “La Repubblica” summieren sich die bisher versprochenen Wahlgeschenke auf 200 Mrd. Euro: 12 % des Bruttoinlandprodukts (BIP). Da es sich erst um den Start der Wahlkampagne handelt, sind weitere Überraschungen dieser Art zu erwarten. Keine einzige Partei hat bislang den dringend nötigen Schuldenabbau erwähnt. Im Gegenteil. Mit Investitions- und Ausgabenerhöhungen von Milliarden an Euro nimmt die in Umfragen stärkste Partei M5S keinerlei Rücksicht auf den Schuldenberg von derzeit 133 % des BIP.Unerwartet sexy wird mit dem einsetzenden Wahlkampf der bislang verpönte Euro. So planten die populistische Lega ebenso wie die 5-Sterne-Bewegung ursprünglich ein Volksbegehren zur Abschaffung des Euro. Am Wochenende überraschte Forza-Italia-Gründer Silvio Berlusconi seine Wähler mit der Aussage, dass Italien im Euroraum bleiben solle und werde. Er habe dafür auch die Zustimmung des Lega-Chefs Matteo Salvini gewonnen.Der Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, zog sofort nach: “Ich sehe im Euro keine Gefahr mehr für Italiens Wirtschaft, nachdem sich die Position Deutschlands und Frankreichs in den letzten Monaten abschwächte.” Di Maio wurde plötzlich zum Europa-Freund. Grund dafür war u. a., dass die ehemalige EU-Kommissarin und Europa-Abgeordnete Emma Bonino mit ihrer neu gegründeten Partei “Europa – Centro Democratico” und ihrer offenen Europa-Freundlichkeit innerhalb weniger Wochen ihren Stimmenanteil verdoppelte.Die politische Situation ist äußerst konfus. Der 81-jährige Berlusconi scheint derzeit der große Gewinner zu sein. Er hat gerade das Wahlbündnis mit der Lega und Fratelli d’Italia besiegelt. Gemeinsam haben sie bei den jüngsten Meinungsumfragen eine Zustimmung von 36,1 % erreicht. Berlusconi peilt für seine Allianz 45 % an. Das würde zum Regieren reichen. Doch das Bündnis beschränkt sich einzig auf die Wahl. Danach ist jedem Partner freigestellt, mit wem er zusammengehen will und ob überhaupt. Nachdem der lombardische Regionalpräsident Roberto Maroni am Wochenende bekannt gab, bei den Regionalwahlen am 4. März nicht zu kandidieren, könnte der frühere Innenminister der Regierung Berlusconi (2008 bis 2011) das Ruder der neuen Regierung in Rom übernehmen, sollte die Mitte-rechts-Koalition die Wahl gewinnen. Bislang war EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani der Favorit.Die stärkste Partei in Umfragen bleibt M5S mit 28,2 %. Während M5S bislang das Zusammengehen mit einer anderen Partei kategorisch ausschloss, gibt es nun einen Flirt mit der extremen Linken von Senatspräsident Piero Grasso (Liberi e Uguali). Die Regierungspartei PD ist derzeit mit 24,1 % der Verlierer. Doch bis in zwei Monaten kann sich viel ändern. Noch dazu, da PD-Parteisekretär Matteo Renzi durchblicken ließ, dass er ein Bündnis mit der Abspaltung der Linken anpeile und nicht auf der Rolle des Regierungschefs bestehe.Beobachter erwarten keine klare Mehrheit, sondern ein Weiterregieren von Premier Paolo Gentiloni bis zu einer zweiten Wahl. “Das Beispiel Spaniens und Deutschlands macht Schule”, kommentiert die Mailänder Tageszeitung “Corriere della Sera”. Worüber sich alle einig sind, ist die Erwartung einer niedrigen Wahlbeteiligung. Meinungsforscher setzen die Absenzquote mit 30 % an, bei den jugendlichen Wählern mit 45 %.