Jahrestag Kriegsausbruch

Europa muss bei militärischen Ukraine-Hilfen nachlegen

Europa muss die Ukraine stärker denn je militärisch unterstützen. Das gilt vor allem, wenn die USA als Geberland ausfallen. Viele Länder in der EU verstecken sich hinter Brüssel.

Europa muss bei militärischen Ukraine-Hilfen nachlegen

Europas Militärhilfe reicht nicht aus

Einen Ausfall der USA könnte die EU zwar schultern, es fehlt indes an politischem Willen

lz Frankfurt

Die Militärhilfe für die Ukraine aus den USA stockt. Und es ist ungewiss, ob Washington im Jahr 2024 noch weitere Rüstungsgüter in die Ukraine schicken kann. Zwar hat der Senat ein neues Hilfspaket bewilligt, eine Freigabe durch das Repräsentantenhaus unter republikanischer Mehrheit steht aber noch aus. Europa, so Christoph Trebesch, Leiter des „Ukraine Support Trackers“ des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), müsste seine derzeitige militärische Unterstützung schon verdoppeln, um die Lücke auszugleichen. Das sei letztlich nur eine Frage des politischen Willens. Denn die EU-Länder gehörten zu den reichsten der Welt, und bisher hätten sie „nicht einmal 1% ihrer Wirtschaftsleistung (von 2021) für die Unterstützung der Ukraine ausgegeben“.

Das Kieler Institut verfolgt und analysiert die Hilfszusagen und Hilfslieferungen für die Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges. Im Ukraine Support Tracker werden die militärischen, finanziellen und humanitären Hilfen, die der Ukraine zugesagt wurden, erfasst. Immer wieder beklagen die Forscher dabei die große Lücke zwischen den politischen Zusagen und tatsächlichen Lieferungen. Für das jüngste EU-Ukraine-Paket, das den Fluss finanzieller Hilfen garantiert und Hilfen über 144 Mrd. Euro vorsieht, registriert das IfW bislang nur konkret zugewiesene Mittel über 77 Mrd. Euro.

Militärische Unterstützung stockt

Während die humanitären und finanziellen Hilfen weiterlaufen, stockt es allgemein bei den militärischen Komponenten: Zwischen dem 1. November 2023 und dem 15. Januar sagten alle Unterstützerländer zusammen der Ukraine militärische Hilfen im Umfang von 9,8 Mrd. Euro neu zu. Im gleichen Vorjahreszeitraum hatten sich die Hilfen aber noch auf 27 Mrd. Euro belaufen, davon allein 21 Mrd. Euro von den USA.

Die derzeitige Militärhilfe wird der Auswertung zufolge in Europa vor allem von einigen großen Gebern wie den nordischen Ländern, Deutschland oder Großbritannien getragen, während viele andere Länder wenig oder gar nichts Neues zugesagt oder geliefert hätten. Deutschland ist den Angaben zufolge nach wie vor größter europäischer Geber von Militärhilfe mit einem Gesamtvolumen seit Kriegsausbruch von 17,7 Mrd. Euro. Davon seien 9,4 Mrd. Euro für spezifische Militärpakete an die Ukraine auch zugewiesen worden.

Was die nordischen Länder betrifft, so hat Dänemark das Volumen des dortigen Ukraine-Fonds seit dem 1. November 2023 um 3,5 Mrd. Euro erhöht und ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer der größten militärischen Unterstützer. Bislang hat Dänemark 8,4 Mrd. Euro an Militärhilfe zugesagt, 4,5 Mrd. Euro davon wurden bereits konkret zugewiesen. Norwegens mehrjähriges Nansen-Programm über 6,6 Mrd. Euro steuert weitere Mittel bei. Die konkretisierten militärischen Zuweisungen und Lieferungen an die Ukraine erreichen nun rund 1 Mrd. Euro.

Die gesamten neuen Hilfszusagen – also militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen – liegen im aktuellen Erhebungszeitraum bei 13,8 Mrd. Euro, wobei das zuletzt finalisierte EU-Paket über 50 Mrd. Euro nicht berücksichtigt ist, weil es bereits 2023 angekündigt wurde und schon in den aggregierten Zahlen mitgezählt wird.

Krieg treibt Energiekosten

Auch wenn die deutschen Hilfszusagen nur einen geringen Prozentbetrag des BIP ausmachen, ist der Ukraine-Krieg für Deutschland gleichwohl ausgesprochen kostspielig: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass die „die wirtschaftlichen Kosten nach zwei Jahren Ukraine-Krieg deutlich höher liegen als 200 Mrd. Euro“, wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem Interview darlegte. „Vor allem die hohen Energiekosten haben das Wachstum in Deutschland im Jahr 2022 um 2,5 Prozentpunkte oder 100 Mrd. Euro und im Jahr 2023 bis heute um eine ähnliche Größenordnung nochmals reduziert.“ Weitere Kosten würden durch die wegen des Krieges „eskalierenden geopolitischen und geoökonomischen Konflikte, vor allem mit China“, entstehen. Diese würden besonders Exportunternehmen hart treffen, erläuterte Fratzscher.

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