EU-Kommission

Europas Energie-Unabhängigkeit kostet viele Milliarden

Die EU-Kommission plant, die 2030-Ziele für erneuerbare Energien und für Energieeffizienz noch ambitionierter auszugestalten, um schneller von fossilen Energielieferungen unabhängig zu werden. Die Behörde rechnet damit, dass der Plan bis 2027 zusätzliche Investitionen von 195 Mrd. Euro benötigen wird.

Europas Energie-Unabhängigkeit kostet viele Milliarden

ahe Brüssel

Die Europäische Kommission will in der kommenden Woche einen Vier-Punkte-Plan vorlegen, wie die EU schneller von Energieimporten aus Drittstaaten – insbesondere aus Russland – unabhängig wird. Der Plan konkretisiert die „Repower EU“-Vorschläge aus dem März, die den Bedarf an russischen Gasimporten bereits bis Jahresende um zwei Drittel senken sollen. Wie aus einem vorab bekannt gewordenen Entwurf hervorgeht, schlägt die Brüsseler Behörde eine Verschärfung der 2030-Ziele für erneuerbare Energien und für Energieeffizienz vor, die aktuell im Rahmen des Gesetzgebungspakets „Fit for 55“ noch verhandelt werden. Darüber hinaus geht es um eine weitere Diversifizierung der Energielieferungen sowie um zusätzliche Investitionen in die Energieinfrastruktur der EU.

„Jetzt ist es an der Zeit, die strategische Energieabhängigkeit Europas zu verringern“, heißt es zur Begründung in dem Entwurf, der der Börsen-Zeitung vorliegt. Grund sei zum einen die Klimakrise, aber auch die Sicherheitskrise, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst habe. „Die EU darf nicht zulassen, dass ihr Energiebedarf als wirtschaftliche oder politische Waffe eingesetzt wird.“

Aufbaufonds soll helfen

Das Einsparen von Energie spielt in dem Plan eine wichtige Rolle. Die Kommission schätzt, dass mit kurzfristigen Maßnahmen eine Verringerung der Nachfrage nach Gas und Öl um 5% erreicht werden kann. Die Energieeffizienzrichtlinie soll daher als verbindliches neues Ziel eine Einsparung von 13% und nicht mehr nur 9% bis 2030 beinhalten.

Und auch das Ziel in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie soll noch ein weiteres Mal verschärft werden: Der Anteil Erneuerbarer soll 2030 nun 45% und nicht mehr nur 40% betragen. Dies würde die Gesamtkapazität zur Erzeugung erneuerbarer Energien bis dahin auf 1236 Gigawatt (GW) bringen im Vergleich zu 511 GW heute. Zentral ist in dem Brüsseler Plan dabei der Ausbau der Fotovoltaik. Schon bis 2028 sollen nun 300 GW an Solarstromerzeugung installiert sein – mehr als das Doppelte des heutigen Niveaus.

Die Analyse der Kommission zeigt allerdings auch, dass das „Repower EU“-Programm bis 2027 zusätzliche Investitionen in Höhe von 195 Mrd. Euro in die Energieinfrastruktur erfordert – ganz unabhängig von dem, was die Umsetzung des großen Klimaprogramms „Fit for 55“ ohnehin kosten würde. Allein in das Stromnetz müssten demnach weitere 29 Mrd. Euro gesteckt werden, um es für eine stärkere Nutzung und Produktion fit zu machen.

Die EU-Kommission verweist allerdings auch darauf, dass die Mitgliedstaaten im Gegenzug 80 Mrd. Euro im Jahr an Ausgaben für Gasimporte einsparen könnten sowie 12 Mrd. Euro für Ölimporte und 1,7 Mrd. Euro für Kohleimporte – wobei in dem Entwurf noch unklar blieb, bis wann diese Einsparungen realisiert werden können.

Um die zusätzlichen Investitionen stemmen zu können, setzt die Brüsseler Behörde vor allem auf den Corona-Wiederaufbaufonds und forderte in dem Papier die Mitgliedstaaten dazu auf, ihre nationalen Aufbaupläne entsprechend anzupassen – auch mit neuen Maßnahmen, die bislang noch gar nicht vorgesehen waren. Die Kommission selbst will in ihren länderspezifischen Haushaltsempfehlungen, die Ende Mai vorgelegt werden, speziell Vorschläge zur Energiepolitik machen.

„Balanceakt“

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber begrüßte grundsätzlich, dass die EU-Kommission vor allem von russischen Gaslieferungen wegkommen wolle. Er warnte zugleich aber, die EU dürfe jetzt keine neuen großen Abhängigkeiten von anderen Lieferanten eingehen. „Dieser Ba­lanceakt kann nur gelingen, wenn Europa eine viel stärkere Rolle in der Energieaußenpolitik bekommt“, be­tonte Ferber, der zugleich auch auf den kurzfristigen Energiebedarf verwies: Es dürfe nicht nur um langfristige Strategien für die Diversifizierung von Lieferungen gehen. „Die beste Langfriststrategie nützt nichts, wenn diesen Winter die Lichter ausgehen.“

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