Europas schwierige Klimadebatte

EU-Gipfel: Mehrere Länder fordern Finanzhilfen - Atomkraft bleibt Zankapfel - Budgetfragen weiter offen

Europas schwierige Klimadebatte

Auf dem EU-Gipfel hat die Debatte über die künftige Klimapolitik erneut deutliche Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten offenbart. Einige osteuropäische Länder forderten Finanzhilfen für eine grüne Wende. Zudem bleibt die Rolle der Atomkraft umstritten. In Budgetfragen ist eine Einigung noch längst nicht absehbar.ahe Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich erneut nicht auf das Ziel verständigen können, dass Europa bis 2050 ein klimaneutraler Kontinent wird. Auf dem gestrigen EU-Gipfel gab es dagegen unter anderem noch Widerstand von den Ministerpräsidenten Polens und Tschechiens, Mateusz Morawiecki und Andrej Babis. Morawiecki verwies vor Beginn der Sitzung in Brüssel darauf, dass die Kosten für sein Land wegen der starken Abhängigkeit von Kohlestrom besonders hoch seien. Deshalb müsse jedes Land einen anderen Zeitplan für den Weg zur Klimaneutralität bekommen.Auch von Ungarn wurden die hohen Kosten thematisiert, die der von der EU-Kommission geplante “Green Deal” mit sich bringen würde. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas sprach in Budapest von “unerträglichen Belastungen” einer Klimaneutralität bis 2050. Ungarn rechne mit Mehrausgaben von rund 150 Mrd. Euro.Auch Babis sowie der litauische Präsident Gitanas Nauseda forderten finanzielle Zusagen der EU. Babis pochte – ebenso wie auch Ungarn – zugleich auf eine Zusicherung, dass Atomenergie künftig als saubere Energie eingestuft werde. Er warf Ländern wie Österreich, die eine Atomklausel verhindern wollen, Doppelzüngigkeit vor. Tschechien liefere Österreich derzeit 25 % seiner Energie – und das in Form von Atomstrom. “Es ist lustig, wenn sie dagegen protestieren, dass wir ihnen Energie liefern”, sagte Babis.EU-Ratspräsident Charles Michel, für den es der erste Gipfel im neuen Amt ist, hoffte trotz dieser Differenzen ebenso wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel noch auf eine Verständigung. “Ich hoffe, dass das gelingt. Das wäre ein starkes Zeichen, dass Europa der Kontinent ist, der 2050 klimaneutral ist”, sagte Merkel beim Eintreffen in Brüssel. Die Bundesregierung unterstütze die Bemühungen der neuen EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen für einen “Green Deal” in Europa und habe sich selbst schon zu dem Ziel der Klimaneutralität 2050 verpflichtet.In der Debatte über die Rolle der Atomkraft stellte der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel klar: “Wir sind der Überzeugung, dass Atomenergie weder nachhaltig noch sicher ist.” Macron bekräftigte hingegen, dass die Atomenergie in Frankreich auch in Zukunft eine wichtige Rolle spiele. In Frankreich komme derzeit mehr als 60 % der Energieproduktion aus Atomreaktoren.Die offene Nachhaltigkeits-Einstufung der Atomkraft hatte in den vergangenen Tagen auch schon dafür gesorgt, dass ein eigentlich bereits gefundener Kompromiss beim EU-Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen (Taxonomie) wieder in Frage gestellt wurde. Die Mitgliedstaaten setzen in dieser Frage am Montag ihre Debatten fort.Bei einem weiteren Thema, das die Staats- und Regierungschefs gestern Abend diskutierten, ist bislang keinerlei Annäherung zu sehen: dem mittelfristigen EU-Haushaltsrahmen ab 2021. EU-Ratspräsident Michel wurde aufgefordert, die weiteren Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten zu forcieren mit dem Ziel, eine Verständigung zu erreichen. Von der Leyen warnte noch einmal vor zu großer Sparsamkeit. Die EU-Staaten hätten selbst eine sehr ehrgeizige Agenda vorgelegt. Jetzt müssten sie dafür auch die notwendigen Mittel geben.