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Evaluierung von Finanzmarktreformen verlangt Methode

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 4.5.2017 Kaum etwas wünscht sich die Kreditbranche sehnlicher als die Evaluierung von Finanzmarktreformen. Nachdem der Sektor nach der Finanzkrise 2008 mit Regulierungsvorgaben förmlich überschüttet worden...

Evaluierung von Finanzmarktreformen verlangt Methode

Von Angela Wefers, BerlinKaum etwas wünscht sich die Kreditbranche sehnlicher als die Evaluierung von Finanzmarktreformen. Nachdem der Sektor nach der Finanzkrise 2008 mit Regulierungsvorgaben förmlich überschüttet worden war, ist für viele Vertreter aus Banken und Sparkassen längst die Zeit gekommen, diese Reformen zu überprüfen. Nun hat die Bundesregierung das Thema auf die globale Ebene gehoben und hat es während ihrer Präsidentschaft 2017 auf die Tagesordnung der G 20, der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer, gesetzt. Dies hatte das Bundesfinanzministerium schon vor fast einem Jahr angekündigt.Anfang Juli beim G 20-Gipfel in Hamburg ist es dann so weit: Die Staats- und Regierungschefs sollen einen gemeinschaftlichen Beschluss fassen. Die Finanzminister hatten bei ihrem Treffen in Baden-Baden Mitte März den Weg dafür geebnet und dies im Kommuniqué verkündet. Gleichwohl muss sich die Kreditbranche weiter gedulden: Denn im Sommer ist nicht etwa mit Evaluierungsergebnissen zu rechnen, sondern nur mit der Festlegung auf eine strukturierte Methode, um bereits implementierte Finanzmarktreformen auf ihre Wirkung hin zu untersuchen.Form und Methode der Evaluierung werden derzeit vom Financial Stability Board (FSB) ausgelotet. Bis zum 11. Mai läuft beim FSB noch der Konsultationsprozess für den methodischen Ansatz zur Evaluierung. Interessierte können sich daran beteiligen. Der Prozess sei offen und transparent, hieß es in Kreisen der Bankenaufsicht. Erbeten sind Kommentare oder Vorschläge etwa zu den Evaluierungsansätzen, zur Verfügbarkeit von Daten oder zur Priorisierung der Themen. Reformziele bleiben bestehenDer Rahmen für die Evaluierung ist dem FSB zufolge darauf angelegt zu analysieren, ob die beabsichtigte Wirkung der zentralen, in der G 20 beschlossenen und mittlerweile umgesetzten Reformen eingetreten ist und ob es möglicherweise unbeabsichtigte Nebenwirkung gibt. Die Reformziele werden dabei nicht in Frage gestellt. Angestrebt wurde, das globale Finanzsystem stabiler und weniger krisenanfällig zu machen. Konkret geht es der G 20 um vier Punkte: Widerstandsfähige Finanzinstitutionen zu schaffen, dem Too-big-to-fail-Problem impliziter Staatsgarantien ein Ende zu setzen, die Derivatemärkte sicherer zu machen und den Schattenbankensektor in solide marktbasierte Finanzierungsformen zu überführen. Die Einführung der Reformen koordiniert das FSB, damit sie pünktlich, komplett und konsistent umgesetzt werden. Einmal jährlich gibt es dazu einen Bericht.Zur Überprüfung des umgesetzten Reformwerks will das FSB nun standardisierte Verfahren nutzen, die in anderen Sektoren der Gesetzgebung – etwa in der Arbeitsmarktpolitik – schon lang erprobt sind. In der Finanzmarktregulierung sind die Methoden allerdings vielfältig, so dass es der Einigkeit bedarf, wie vorzugehen ist. Nicht immer sind Indikatoren auch aussagekräftig. So können niedrige Zinsen Resultat der Regulierung sein, aber auch der Geldpolitik. Untersucht werden auch verschiedene Felder, etwa eine einzelne Reform, ein ganzes Bündel oder ein Reformbündel über einen gesamten Finanzzyklus hinweg. Äußerst komplex wird es, wenn die Experten Wechselwirkungen von Reformen untern die Lupe nehmen.Das Rahmenwerk beim FSB soll dazu dienen, möglichst viele Teilaspekte der eingeführten Finanzmarktreformen zu evaluieren. Für die Finanzinstitute kann es auch bedeuten, dass neue Daten erhoben werden müssen – eine Last, die aber einem guten Zweck dient. Ob dies nötig ist, hängt Experten zufolge vom untersuchten Fall ab. Das meiste an Finanzmarktdaten dürfte aber vorhanden sein, geben Spezialisten Entwarnung. Entscheidend sei der Umgang damit. Die Vertraulichkeit müsse unbedingt gewahrt sein. Zeitplan bleibt offenOffen ist, wann mit Ergebnissen im FSB zu rechnen ist. Es bestehe der Wunsch, möglichst bald zu starten, hieß es in den damit befassten Kreisen. Politisch kann der Beschluss der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli den Weg dafür frei machen. Die Untersuchung einzelner Reformen oder Reformbündel schätzen Experten auf eine Dauer von einem bis eineinhalb Jahre – in Abhängigkeit von ihrer Komplexität. Sie sollen künftig den Jahresbericht des FSB zum Stand der Umsetzung der Finanzmarktreformen ergänzen. Politische Empfehlungen darf die Kreditbranche aber auch damit noch nicht erwarten. Denn die Evaluierungsexperten werden ein analytisches Werk abliefern. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, bleibt der Politik überlassen. Der Weg bis dahin ist lang und steinig. Es wird erst einer künftigen G 20-Präsidentschaft obliegen, dass auch konkrete Taten auf die Evaluierung folgen.