Geldpolitik

EZB-Anleihekäufe könnten im dritten Quartal enden

Der EZB-Rat steckt angesichts des Ukraine-Kriegs im Dilemma. Nun hat er den Zeitplan für die Anleihekäufe und den Zinsausblick angepasst. Die Inflationsprojektionen steigen abermals drastisch.

EZB-Anleihekäufe könnten im dritten Quartal enden

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine schnellere Rückführung ihrer Anleihekäufe beschlossen und ein Ende der Käufe im dritten Quartal dieses Jahres in Aussicht gestellt. Im zweiten Quartal drosselt sie die Anleihekäufe monatsweise von zunächst 40 Mrd. Euro auf 20 Mrd. Euro im Juni. Anschließend will der EZB-Rat die Nettokäufe laut den Beschlüssen einstellen – unter der Bedingung, dass „die neu verfügbaren Daten die Erwartung stützen, dass sich die mittelfristigen Inflationsaussichten auch nach dem Ende seiner Nettoankäufe von Vermögenswerten nicht verschlechtern“. Das Pandemienotfallkaufprogramm PEPP endet wie geplant Ende März.

Auch den Zinsausblick hat der EZB-Rat angepasst: Die bisherige Formulierung, dass der Leitzins im Euroraum „kurz“ nach Ende der Nettokäufe steigt, ist gestrichen. Stattdessen heißt es nun: „Änderungen der EZB-Leitzinsen werden einige Zeit nach dem Ende der Nettoankäufe des EZB-Rats im Rahmen des APP vorgenommen.“ Das Asset Purchase Programme (APP) ist das reguläre Anleihekaufprogramm der EZB. In Summe sind nun für das zweite Quartal Nettokäufe von 90 Mrd. Euro via APP vorgesehen; bislang waren es 120 Mrd. Euro.

Vor dem Hintergrund rekordhoher Inflation hat die EZB ihre Inflationsprojektionen einmal mehr drastisch angehoben. Im laufenden Jahr erwarten die EZB-Ökonomen nun laut EZB-Chefin Christine Lagarde im Durchschnitt 5,1%. Im Dezember hatten sie 3,2% für 2022 veranschlagt. Aufwärtsrevisionen gab es auch für 2023 (auf 2,1% von 1,8%) und 2024 (auf 1,9% von 1,8%). Es sei „zunehmend wahrscheinlich“, dass die Inflation sich mittelfristig um das EZB-Ziel von 2% „stabilisieren“ werde, sagte Lagarde.

Der EZB-Rat hatte nach langem Zögern erst Anfang Februar einen besorgteren Ton zur rekordhohen Inflation im Euroraum angeschlagen und eine schnelle Zinswende avisiert – vor allem ein schnelleres Ende der billionenschweren Anleihekäufe. Zuvor hatten führende EZB-Granden sehr lange an der Einschätzung festgehalten, dass die hohe Inflation vor allem temporär sei – während nicht zuletzt die US-Notenbank Fed bereits eine drastische Kehrtwende vollzogen und eine deutliche Straffung ihrer Geldpolitik ab März in Aussicht gestellt hatte.

Danach hatte der weitere EZB-Kurs zunächst verstärkt Kontur angenommen: Demnach schien es so, als könnte der EZB-Rat nach dem Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März bereits im dritten Quartal auch das parallele Anleihekaufprogramm APP beenden. Das hätte die Tür für eine erste Zinserhöhung geöffnet – womöglich noch 2022. Über den Zeitpunkt hätte demnach im Sommer entschieden werden können. Nach dem Ausbruch des Kriegs waren dann aber eine Reihe Euro-Notenbanker viel vorsichtiger geworden. Selbst ein Hardliner wie Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann hatte von einer Verzögerung des Exits gesprochen.

Die EZB steht vor einem enormen Dilemma: Zwar drohen einerseits durch den Krieg spürbare negative Folgen für die Euro-Wirtschaft, die gerade begonnen hatte, sich von der Omikron-Coronawelle zu erholen. Das spricht für einen vorsichtigeren geldpolitischen Kurs. Andererseits dürfte die Eskalation die rekordhohe Inflation weiter befeuern. Im Februar ist die Teuerungsrate bereits auf das absolute Rekordniveau von 5,8% geklettert. Im März könnte nun die 6-Prozent-Marke geknackt werden. Das spricht dafür, die Geldpolitik zu normalisieren, auch um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern.

Im Gegensatz zur EZB scheint dagegen die US-Notenbank an ihrem Kurs festzuhalten: Fed-Chef Jerome Powell hatte vor wenigen Tagen klargemacht, dass der US-Leitzins bei der Sitzung nächste Woche zum ersten Mal seit 2018 wieder angehoben werden dürfte – um 25 Basispunkte auf dann 0,25 bis 0,5%. Das werde der Auftakt zu weiteren Zinserhöhungen sein. Zudem will die Fed weiter zeitnah damit beginnen, ihre auf rund 9 Bill. Dollar angewachsene Bilanz zu reduzieren. Die US-Wirtschaft dürfte weniger unter dem Ukraine-Krieg leiden als jene in der Eurozone und zugleich ist der Inflationsdruck in den USA noch einmal größer. Im Februar sprang die US-Verbraucherpreisinflation auf 7,9%, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Nach der EZB und der Fed entscheiden nächste Woche auch noch die beiden anderen der vier weltweit wichtigsten Zentralbanken über ihren Kurs: die Bank of England und die Bank of Japan. Mit Spannung wird erwartet, wie sie auf den Ukraine-Krieg antworten. Die Bank of Canada folgte bereits vergangene Woche der Bank of England und erhöhte als zweite Notenbank eines G7-Landes nach der Akutphase der Pandemie ihren Leitzins – erstmals seit 2018. Sie kündigte zudem weitere Zinsschritte an. Die zu hohe Inflation bereit ihr zumindest aktuell mehr Sorge als der Ukraine-Krieg.

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