EZB-Botschaft zu Zinssenkungen kommt langsam an
EZB-Botschaft kommt langsam an
Ökonomen erwarten länger andauernden Zinsgipfel – Entwicklung der Großhandelspreise macht Hoffnung
mpi Frankfurt
Auch wenn die Inflation rückläufig ist und jüngste Preisdaten darauf hindeuten, dass sich der Trend fortsetzt, sind baldige Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank kein Thema. Was Notenbanker schon lange betonen, wird langsam auch von Ökonomen und Finanzmarktteilnehmern eingepreist.
Fast schon gebetsmühlenartig haben verschiedene EZB-Granden immer wieder betont, dass Zinssenkungen bereits Anfang 2024 kein Thema für die Europäische Zentralbank (EZB) sind. Man habe das Wort Zinssenkung nicht einmal ausgesprochen, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde etwa bei der Pressekonferenz der Notenbank nach dem Zinsentscheid im September auf Nachfrage eines Journalisten geantwortet. Dennoch haben Finanzmarktteilnehmer und Ökonomen lange Zeit auf eine erste geldpolitische Lockerung im Euroraum im ersten Quartal 2024 gesetzt. Dies ändert sich nun.
An den Finanzmärkten legen die Anleiherenditen zu. Der slowenische Zentralbankchef Boštjan Vasle sieht darin ein Zeichen, dass die Anleger akzeptieren, dass eine „längere Periode höherer Zinssätze“ erforderlich sei, um das Inflationsziel der EZB von 2% zu erreichen.
Ökonomen erwarten erste EZB-Zinssenkung im September 2024
Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Ökonomen rechnen inzwischen damit, dass die EZB erst in rund einem Jahr – im September 2024 – eine Zinssenkung verkünden wird. Dies ist eine deutliche Verschiebung im Vergleich zur letzten Befragung. Dort hatten die Volkswirte bereits ab März wieder mit niedrigeren Leitzinsen gerechnet.
Die neue Einschätzung deckt sich mit jüngsten Äußerungen von Lettlands Notenbankchef und EZB-Ratsmitglied Mārtiņš Kazāks. Er sagte am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass Zinssenkungen im ersten Halbjahr im Widerspruch zu den aktuellen Wirtschaftsprognosen für den Euroraum stünden. Erst ab dem zweiten Halbjahr halte er eine Lockerung der Geldpolitik für denkbar.
„Ära anhaltend hoher Zinsen“
Nicht nur in der Eurozone, sondern auch global könnten die Zinsen länger hoch bleiben. „Höhere Zinssätze könnten anhalten“, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen am Montag über das Zinsniveau in ihrem Land gegenüber dem Fernsehsender „Sky News“. IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa stimmte Banken und Unternehmen auf der Jahrestagung ihres Fonds auf neue Zeiten ein. „Wir stehen eindeutig vor einer Ära längerfristig höherer Zinsen.“
Die höheren Zinsen könnten insbesondere für die kriselnde Baubranche zu einer großen Belastung werden. Dort macht sich das Zinsniveau besonders stark bemerkbar. Der IWF verweist zudem darauf, dass die höheren Zinsen angesichts der starken Verschuldung negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben können.
Großhandelspreise sinken stark
Positive Nachrichten zur Entwicklung der Euro-Inflation kamen am Montag aus Deutschland und Italien. Das Statistikamt in Rom teilte mit, dass die Verbraucherpreise in Italien im September nicht ganz so stark gestiegen sind wie zunächst gemeldet. Die Statistiker revidierten die Teuerungsrate von 5,7 auf 5,6%.
In Deutschland sind derweil die Großhandelspreise wegen deutlich günstigerer Energie so stark gefallen wie seit über drei Jahren nicht mehr. Sie gingen im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,1% zurück. Es ist das sechste Minus in Folge. Im Vergleich zum August stiegen die Preise im Großhandel jedoch um 2,9%. Die Teuerungsrate im Großhandel ist ein Frühindikator für die Entwicklung der Verbraucherpreise.
Preisdruck nach wie vor „zu hoch“
Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnte am Wochenende auf der IWF-Jahrestagung davor, bereits den Sieg im Kampf gegen die Inflation auszurufen. Der Preisdruck in der Eurozone sei nach wie vor „zu hoch”. Die Aufwärtsrisiken seien „noch immer ziemlich präsent”.
Die EZB dürfte kommende Woche eine Zinspause einlegen. Ob bei der übernächsten Zinssitzung im Dezember eine weitere Zinserhöhung folgt, ist offen.