EZB für Änderungen bei Inflationsmessung

Selbst genutztes Wohneigentum einbeziehen

EZB für Änderungen bei Inflationsmessung

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) dringt auf Änderungen bei der Messung der Inflation im Euroraum – und konkret auf eine Einbeziehung selbst genutzten Wohneigentums in den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Mit Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sprachen sich gestern gleich zwei hochrangige Euro-Hüter für eine solche Neuerung aus. Die Entscheidung müsste von der EU-Kommission und der Statistikbehörde Eurostat getroffen werden. Weidmann macht Druck”Das selbst genutzte Wohneigentum fehlt im Warenkorb des HVPI. Dabei ist unstrittig, dass er diese Komponente eigentlich erfassen sollte”, sagte Weidmann gestern Abend in seiner Rede beim Jahresempfang der Deutschen Börse. Die Gründe für das Fehlen seien eher technischer und methodischer Natur. “Für mich wäre aber der eine oder andere Abstrich bei der Methodik hinnehmbar, wenn wir dafür der Lebenswirklichkeit der Menschen näher kämen”, sagte Weidmann. Ähnlich äußerte sich auch Lane in einem Interview.Die EZB hat gerade mit der ersten umfassenden Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie seit 2003 begonnen, und die Inflationsmessung ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses. Seit Jahren gibt es Kritik daran, dass der HVPI als Zielgröße der EZB die Entwicklung selbst genutzten Wohneigentums nicht berücksichtigt. Die Euro-Inflation läge dann aktuell wohl höher, auch wenn das Ausmaß umstritten ist.Die EU-Kommission und Eurostat hatten zuletzt im Jahr 2018 entschieden, die Kalkulation nicht zu verändern, auch weil die Einbeziehung selbst genutzten Wohneigentums als technisch komplex und kontrovers gilt. Aktuell gibt es zudem den Vorwurf, eine solche Änderung könne den Eindruck erwecken, es gehe nur darum, die EZB näher an ihr Inflationsziel von mittelfristig unter, aber nahe 2 % zu bringen, das sie seit langem verfehlt. In diese Richtung hatte sich zuletzt etwa Ex-EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio geäußert.Nach Schätzungen läge die Inflation bei einer Einbeziehung aktuell rund 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte höher. Im Januar lag sie bei 1,4 %. Zu anderen Zeiten könnte die Einbeziehung die Rate aber auch drücken. Weidmann sagte gestern, dass sich auf lange Sicht an der durchschnittlichen HVPI-Rate wohl nur wenig ändern würde. Entscheidend aber sei, die Realität abzubilden. “Dann können wir unserem Auftrag besser gerecht werden, Preisstabilität im Euroraum zu sichern”, sagte er.”Wir bei der EZB würden zustimmen, dass es mehr Gewicht auf dem Wohnen geben sollte – aber es gibt Schwierigkeiten, und dies wurde schon mehrfach untersucht”, sagte Lane im Interview der “Financial Times”. Es gehe nun darum, von früheren Episoden zu lernen.Bundesbankchef Weidmann hielt sich sonst in seiner Rede zur Strategieüberprüfung eher bedeckt. Er untermauerte aber noch einmal seine Vorbehalte gegen breite Anleihekäufe (nur “für den Notfall”) und gegen eine allzu starke Fokussierung der Notenbank auf den Klimawandel. Da sei “in erster Linie die hierfür demokratisch legitimierte Politik gefordert”, sagte Weidmann.Mit Blick auf das EZB-Inflationsziel von unter, aber nahe 2 % sprach er sich gegen eine kräftige Anhebung aus, wie es einige Ökonomen befürworten. Zu einer geringfügigen Anhebung etwa durch eine Fixierung auf 2 % äußerte er sich nicht. Generell sagte er, das Ziel müsse so formuliert sein, “dass es verständlich, vorwärts gerichtet und realistisch ist”.