EZB-Inflationsziel bleibt in der Ferne

Experten rechnen erst 2022 mit einer Teuerung von 1,9 Prozent

EZB-Inflationsziel bleibt in der Ferne

jw Frankfurt – Die Inflation in der Eurozone wird sich nach Einschätzung von Experten trotz der lockeren Geldpolitik und der robusten Konjunktur in den kommenden Jahren schwächer als bisher erwartet entwickeln. Das geht aus der vierteljährlichen Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB), der “Survey of Professional Forecasters”, für das zweite Quartal 2018 hervor. Die befragten Experten haben ihren Inflationsausblick für die Jahre 2019 bis 2020 gesenkt, die Wachstumsprognose für das laufende und das nächste Jahr jedoch etwas erhöht.In der aktuellen Umfrage erwarten die Experten für das laufende Jahr weiterhin eine für europäische Zwecke harmonisierte Inflationsrate (HVPI) von 1,5 %. Bereits in der vorangegangenen Erhebung im ersten Quartal war dies erwartet worden. Für die kommenden zwei Jahre senkten die befragten Ökonomen ihre Inflationserwartung jedoch. Laut der aktuellen Erhebung erwarten sie für 2019 eine Inflationsrate von 1,6 %, nach zuvor 1,7 %. Für 2020 wurde die Prognose für die Teuerung von 1,8 % auf 1,7 % gesenkt. Langfristig gehen die Experten aber von einer Inflation von 1,9 % aus, was dem Zielwert der EZB von unter, aber nahe 2 % entspräche. Mehr Wachstum erwartetWährend die befragten Ökonomen ihre Prognosen für die Preisentwicklung senkten, rechnen sie gleichzeitig mit einem stärkeren Wirtschaftswachstum als in der vorangegangenen Umfrage. Demnach wird im laufenden Jahr ein Wirtschaftswachstum um 2,4 % erwartet – das wären 0,1 Prozentpunkte mehr als noch im ersten Quartal. Für das kommende Jahr erhöhten die Experten die Wachstumsprognose von zuvor 1,9 % auf 2,0 %. Im Jahr 2020 dürfte das Wachstum der Eurozone dann aber an Schwung verlieren. Die Analysten erwarten einen Rückgang des Wachstums auf nur noch 1,6 %, nachdem sie zuvor noch eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 1,7 % erwartet hatten. Die Erwartungen der Volkswirte werden von der EZB genau beachtet. Sie sind ein wichtiger Faktor, den die Euro-Wächter in ihren geldpolitischen Überlegungen berücksichtigen. Die EZB befragt alle drei Monate Ökonomen zu ihren Wirtschaftsprognosen. An der aktuellen Umfrage im Zeitraum vom 4. bis 10. April nahmen 58 Experten teil. Am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung hatte die Zentralbank an ihrem bisherigen Kurs festgehalten und keine großen Beschlüsse gewagt – etwa zu der Zukunft ihres Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE). Die aktuelle Inflationsentwicklung stuften die Währungshüter dabei nach wie vor eher verhalten ein. EZB-Direktor Yves Mersch bekräftigte am Freitag, dass die Notenbank sich erst dann von ihrer ultralockeren Geldpolitik abkehren werde, wenn die Inflation stärker anzieht. Der EZB-Rat werde zu einer weniger expansiven Ausrichtung übergehen, wenn sich die Preisentwicklung nachhaltig ändere, sagte Mersch auf einer Veranstaltung in Sofia. “Der Pfad der Normalisierung wird abhängig bleiben von den Aussichten für die Preisstabilität.” Aktuell sei noch immer kein überzeugender Preisauftrieb auszumachen.Derweil mehren sich im EZB-Rat die Appelle an EZB-Präsident Mario Draghi, eine Diskussion über mögliche geldpolitische Änderungen bei den Ratssitzungen zu starten. Bloomberg zufolge hat der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, eine Debatte darüber gefordert, was die EZB tun werde, wenn die quantitative Lockerung im September ausläuft. Das sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen, die darum baten, namentlich nicht genannt zu werden, da die Ratssitzungen vertraulich seien. Zwar sei Nowotnys Position von einigen anderen geteilt worden, jedoch überließen die meisten geldpolitischen Entscheidungsträger es dem Präsidenten zu bestimmen, wann das Thema erörtert werde, sagten die Personen.