EZB sieht Inflation 2020 unter Ziel

Notenbankvolkswirte prognostizieren 1,7 Prozent - Draghi unterstreicht offenes Ende von QE-Programm

EZB sieht Inflation 2020 unter Ziel

Nachdem die US-Notenbank Fed am Mittwoch erneut den Leitzins erhöht hatte, traf sich gestern der EZB-Rat. Er untermauerte seine Verlängerung der Anleihekäufe bis weit ins Jahr 2018 hinein.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Wachstums-, aber auch ihre Inflationsprognosen teils deutlich nach oben geschraubt – trotzdem gehen die Notenbanker davon aus, auch im Jahr 2020 noch ihr Inflationsziel von unter, aber nahe 2 % zu unterschreiten. In den gestern veröffentlichten neuen Projektionen der Volkswirte des Eurosystems aus EZB und nationalen Zentralbanken wird für 2020 eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,7 % vorhergesagt (siehe Grafik) – womit nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi das EZB-Ziel noch nicht erreicht ist. Teuerung hinkt hinterherDen neuen Projektionen entsprechend äußerte sich Draghi deutlich zuversichtlicher über die Euro-Wirtschaft. Die jüngsten Daten “deuten auf ein hohes Expansionstempo der Wirtschaft und eine erhebliche Aufhellung der Wachstumsaussichten hin”, sagte er. Die kräftige Konjunkturdynamik und der beträchtliche Abbau der wirtschaftlichen Unterauslastung “stärken das Vertrauen darauf, dass sich die Inflation unserem Inflationsziel annähern wird”, so Draghi. Zugleich betonte er aber, dass “der binnenwirtschaftliche Preisdruck weiterhin insgesamt gedämpft” sei. Draghi: “Es bedarf daher nach wie vor umfangreicher geldpolitischer Impulse.”Da der EZB-Rat bereits im Oktober weitreichende Beschlüsse über eine Verlängerung seines Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE) ins Jahr 2018 hinein gefasst hatte, standen dieses Mal vor allem die neuen Prognosen der Notenbankvolkswirte im Mittelpunkt. Erstmals gab es dabei Prognosen für 2020, was aufgrund der Wirkungsverzögerung geldpolitischer Maßnahmen besonders interessant ist.Draghi untermauerte gestern die Oktober-Beschlüsse: Demnach will die EZB bis mindestens Ende September 2018 Anleihen kaufen – wenn auch ab Januar mit einem reduzierten monatlichen Kaufvolumen von 30 Mrd. Euro statt aktuell 60 Mrd. Euro. Er ist zudem bereit, falls nötig nachzulegen. Auslaufende Anleihen sollen auf absehbare Zeit reinvestiert werden. 2018 werden das rund 130 Mrd. Euro sein. Zudem sollen die Leitzinsen noch lange Zeit auf den aktuellen Rekordtiefs bleiben.In den vergangenen Wochen hatten vor allem Hardliner im EZB-Rat wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger und der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot Kritik an dem Kurs und vor allem dem offenen QE-Ende geäußert. Aber auch andere Ratsmitglieder hatten zumindest die Hoffnung oder Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass nach September 2018 Schluss ist – als einer der ersten Irlands Zentralbankchef Philip Lane im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 10. November). Ähnliches war auch von den Direktoriumsmitgliedern Benoît Coeuré und Yves Mersch zu hören.Draghi machte gestern deutlich, dass dieses Mal nicht erneut grundsätzlich über den Kurs diskutiert worden sei. Die Debatte dürfte im Frühjahr, spätestens aber im Sommer an Fahrt aufnehmen. Um ein QE-Ende einzuläuten, müsste die EZB wohl zuvor ihre Kommunikation anpassen, insbesondere den expliziten Link zwischen den QE-Nettokäufen und dem Erreichen des 2-Prozent-Ziels. Daran stören sich schon jetzt viele Notenbanker, nicht nur die Hardliner.Beobachter hatten auf Details gehofft, wie sich die Halbierung auf 30 Mrd. Euro auf die einzelnen Kaufprogramme verteilen wird. Draghi sagte, das sei gestern nicht diskutiert worden. Er erneuerte nur Aussagen, dass der Kauf von privaten Papieren weiter erheblich sein werde. Die Aufteilung hat zuletzt zusätzlich an Brisanz gewonnen durch die Probleme beim Möbelkonzern Steinhoff. Bei ihrem Kauf von Unternehmensanleihen hat die EZB auch Steinhoff-Papiere erworben. Die Turbulenzen gelten Kritikern als Beleg für die Risiken der EZB-Kaufprogramme.Draghi spielte die Folgen für die EZB gestern herunter. Er räumte zwar Verluste ein und machte klar, dass die EZB mit Bekanntwerden der Probleme keine Steinhoff-Papiere mehr gekauft habe. Er betonte, die in Medien kursierende Spekulation über Verluste sei deutlich übertrieben – und zwar “um den Faktor 10”. Im Vergleich zu den Nettozinseinnahmen 2016 in Höhe von 1,6 Mrd. Euro handele es sich um ein kleines Minus-Geschäft. Vor allem aber betonte er die Bedeutung der Käufe von Unternehmensanleihen für die Geldpolitik. Es gehe nicht darum, Profite zu maximieren oder Verluste zu vermeiden. Bislang hat die EZB Unternehmensanleihen für rund 130 Mrd. Euro gekauft und insgesamt Papiere für gut 2,2 Bill. Euro. Firmenanleihen umstrittenDie Ansichten im EZB-Rat speziell zum Kauf von Unternehmensanleihen gehen aber teils deutlich auseinander: So hat etwa Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny in der Vergangenheit vor verzerrenden Effekten gewarnt und sich durchaus kritisch gezeigt. Andere dagegen, etwa Estlands Zentralbankchef Ardo Hansson, ziehen diese Käufe dem Erwerb von Euro-Staatsanleihen vor.