Fiskalpolitik

EZB warnt vor Druck auf europäische Staatshaushalte

Eine Studie der EZB kommt zu dem Schluss, dass auf die Staaten ein enormer Investitionsbedarf aufgrund struktureller Probleme zukommen wird. Um diesen zu bewältigen, sei eine solide Fiskalpolitik nötig.

EZB warnt vor Druck auf europäische Staatshaushalte

EZB warnt vor Druck auf Staatshaushalte

Strukturelle Herausforderungen könnten laut Studie zu Ausgaben von bis zu 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts führen

mpi Frankfurt

Die Liste von Herausforderungen, denen sich die Politiker in Europa in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stellen müssen, ist lang. Viele davon könnten außerdem zu einer großen Belastung für die Staatshaushalte werden. Die Folgen des Klimawandels, die Kosten einer zunehmend alternden Gesellschaft und der Investitionsbedarf in das Militär sind nur ein paar Beispiele dafür. Diese strukturellen Herausforderungen könnten laut einer Studie der EZB dazu führen, dass die Euro-Staaten bis zu 10% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Hand nehmen müssen, um die Aufgaben erfolgreich zu meistern.

Dabei unterscheiden sich die Investitionsbedarfe gemäß der Studie stark von Land zu Land. Während auf die Slowakei Ausgaben von fast 10% des BIP zukommen könnten, liegt Estland mit 0,5% am anderen Ende der Skala. Für Deutschland schätzt der Studienautor die Belastungen auf beinahe 4%. Das ist etwas weniger als der Schnitt der Eurozone, der bei rund 5% liegt.

Die nötigen staatlichen Investitionen in die Digitalisierung sind in den Zahlen nicht enthalten. Zur Begründung heißt es in der Studie, dass unklar sei, ob die fiskalischen Ausgaben die staatlichen Einnahmen und Kosteneinsparungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung übersteigen oder nicht.

Aufruf zu investieren und zu sparen

Aus der Analyse des Investitionsbedarfes zieht der Studienautor zwei Schlüsse. Erstens sollten die Staaten jetzt investieren, um die Produktivität und damit das Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu erhöhen. Blieben diese Investitionen – etwa in die Digitalisierung – aus, könnten die ökonomischen und fiskalischen Kosten der anstehenden strukturellen Herausforderungen noch höher ausfallen.

Gleichzeitig sollten die Staaten, insbesondere diejenigen mit einer hohen Verschuldung, mehr Haushaltsdisziplin an den Tag legen. Nur so hätten sie genügend finanzielle Kapazitäten, um dem strukturellen Wandel zu begegnen. „Die Wirtschaftspolitik sollte darauf abzielen, die hohe Staatsverschuldung schrittweise zu reduzieren und sich auf die Zukunft vorzubereiten, was auch dazu beitragen wird, ein gesundes Umfeld für die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets zu gewährleisten“, heißt es im Fazit der Studie.

In einer zweiten Studie, welche die EZB ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte, untersuchten die Autoren die Ursachen für das schwächere Wirtschaftswachstum in Europa im Vergleich zu den USA seit der Corona-Pandemie. Die US-Wirtschaft konnte zwischen dem vierten Quartal 2019 und dem Jahresende 2023 um mehr als 8% wachsen. Die Euro-Länder kommen in diesem Zeitraum auf nur rund 3%.

Niedrige Arbeitsproduktivität

Auch hier spielten die staatlichen Ausgaben eine wesentliche Rolle. Die Fiskalpolitik der Euro-Länder konzentrierte sich während der Pandemie darauf, den Arbeitsmarkt zu stützen und damit Entlassungen zu verhindern. In den USA wiederum erhöhte der Staat mit seinen Ausgaben vor allem die Kaufkraft der Bürger. In der Folge hat der private Konsum in den USA weit mehr zum Wirtschaftswachstum beigetragen als der Konsum im europäischen Währungsraum.

Zudem belastete der Kriegsbeginn in der Ukraine im Jahr 2022 die Länder des Euroraums wirtschaftlich stärker als die USA. So habe etwa der Energiepreisschock durch den Krieg dazu geführt, dass die Arbeitsproduktivität in der Eurozone im Vergleich zu den USA gesunken ist.

Kluft wird laut EZB wieder kleiner

Mit Blick auf die kommenden Jahre erwarten die Studienautoren, dass die Kluft beim Wirtschaftswachstum zwischen den USA und der Eurozone wieder kleiner wird. Zum einen prognostizieren sie, dass sich der private Konsum in Europa wieder erholt. Zum anderen sagen sie voraus, dass die Lücke bei der Arbeitsproduktivität wieder kleiner werden dürfte.

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