EZB warnt vor Eskalation im globalen Handel
jw Frankfurt – Eine Eskalation im Handelskonflikt würde den USA mehr schaden als ihren Partnerländern. Das geht aus einer gestern vorab veröffentlichten Studie aus dem neuen Wirtschaftsbericht der Europäischen Zentralbank hervor. Die EZB stellt darin fest, dass das Wachstum in den USA stärker zurückgehen würde als im Euroraum oder in China, wenn US-Präsident Donald Trump Zölle für den Rest der Welt um 10 % anhöbe und andere Länder im gleichen Umfang zurückschlügen. Das Wachstum der Eurozone erlitte bei einer weiteren Eskalation hingegen nur einen “leichten Rückgang”, schreiben die Forscher.Die EZB hatte einige Aspekte dieser Simulation bereits im September 2018 veröffentlicht. Das Szenario ist zwar fiktiv. Allerdings wird so die Annahme Trumps, dass die USA in jedem Fall von einem Handelsstreit profitieren, in Frage gestellt. Sie wären laut der EZB sogar einer der großen Verlierer. Die Studie ergab, dass das US-BIP nach einem Jahr der verschärften Handelsspannungen um 2 % unter der Basiserwartung läge. Allein durch direkte Folgen der Zölle liege der BIP-Effekt bei 1,5 %, hieß es. Hinzu kämen die von der Stimmungseintrübung ausgelösten Wachstumseinbußen. “Eine Erhöhung der Zoll- und nichttarifären Hemmnisse bei der Einfuhr führt dazu, dass inländische Verbraucher und Unternehmen auf inländisch produzierte Waren umsteigen”, so die EZB. “Dieser Effekt wird jedoch wahrscheinlich durch den Anstieg der Preise und den Rückgang der Exporte mehr als ausgeglichen.” Erheblich leiden würden auch der Welthandel und die Weltwirtschaft, hier lägen die BIP-Einbußen bei mehr als 2,5 % und 1 %.Das BIP in der Eurozone bliebe nach dem ersten Jahr des Handelskonflikts unverändert, und das Wachstum in China wäre etwas höher, so die EZB. Dies liegt daran, dass die Eurozone und China von Handelsumleitungen profitieren würden, da andere Länder nach Ansicht der Forscher von US-Gütern zu ihren wechseln würden. Längerfristig verlören allerdings alle drei Volkswirtschaften, schlussfolgert die Studie, obwohl die USA immer noch weitaus stärker betroffen wären als China oder die Eurozone.Die EZB-Studie unterscheidet sich damit von anderen Simulationen. Der IWF hatte Anfang des Monats berechnet, dass die USA in einem Handelskrieg 0,6 % des BIP und China 1,5% verlieren würden. Auch das Ifo-Institut hatte wiederholt China als den größeren Verlierer dargestellt. “China würde in absoluten und relativen Zahlen viel mehr verlieren als die USA, wenn beide Seiten Zölle von 25 % auf alle Waren erheben würden”, sagte Studienautor Gabriel Felbermayr im Februar.Auch EZB-Präsident Mario Draghi hat wiederholt vor den Auswirkungen der Handelsspannungen auf das Vertrauen der Wirtschaft gewarnt, merkte jedoch auch an, dass man die jüngsten Sanktionsdrohungen des US-Präsidenten nicht überinterpretieren sollte. “Wie Sie in der Vergangenheit gesehen haben, besteht zwischen Worten und Taten oft eine große Kluft”, sagte Draghi Mitte April.Die Handelskonflikte haben die Euro-Wirtschaft jedoch bereits getroffen, insbesondere ihre größte Volkswirtschaft. Deutschland war in den letzten Jahren eine treibende Kraft für die wirtschaftliche Erholung der Region. Der deutsche Konjunkturmotor stottert jedoch seit Ende letzten Jahres, auch aufgrund der schwächeren globalen Nachfrage und des unsicheren politischen Klimas. Angst vor AutozöllenBerlin hofft derweil immer noch, dass die Trump-Administration europäische Fahrzeuge und Autoteile nicht mit Zöllen belegen wird. Die EZB-Studie ergab, dass Autozölle Deutschland erheblich schaden würden, Südkorea, die USA oder Japan aber noch mehr getroffen wären.Die Vorteile, die die Abgaben für die US-Autohersteller schaffen, würden weitgehend durch Vergeltungsmaßnahmen, die andere Teile der Wirtschaft beträfen, ausgeglichen, so die Studie. Für die Eurozone insgesamt wären die Folgen relativ gering. Die Simulation der EZB-Forscher zeigt, dass die Autoindustrie der Eurozone bei neuen Einfuhrzöllen Verluste von 4 % erleiden würde, eine Dimension, die sich angesichts der relativen Größe des Sektors nur begrenzt auf die Wirtschaft der Region auswirkt.Die bisherigen Effekte der Handelskonflikte sind laut EZB zwar noch überschaubar, gleichwohl warnt die Notenbank aber vor einer Verschärfung der Handelskonflikte. Die negativen Auswirkungen könnten durch erhöhten Stress an den Finanzmärkten und einen Verlust an Vertrauen verstärkt werden. Ob das Wachstum in der Eurozone im zweiten Halbjahr zurückkommt, hängt aus Sicht von EZB-Direktor Benoît Coeuré daher entscheidend davon ab, ob sich im Handelsstreit Lösungen abzeichnen. Auch die Studienautoren plädieren dafür, schnell Lösungswege zu finden. Statt Vergeltungszöllen sollten die Länder versuchen, Handelsstreitigkeiten in multilateralen Foren beizulegen. Die verteilungspolitischen und sozialen Auswirkungen der Globalisierung sollen durch gezielte Maßnahmen angegangen werden, etwa durch Umverteilungsmaßnahmen oder angemessene Schulungs- und Bildungsmaßnahmen.