Fed gibt Takt vor – EZB hintendran
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag ihre Leitzinsen wie avisiert um 25 Basispunkte erhöht, ist das für die Euro-Hüter ein großer Schritt – die erste Zinserhöhung seit elf Jahren und eine Anhebung, vor der die Euro-Granden lange Zeit zurückgeschreckt haben. Im internationalen Vergleich aber gehört die EZB damit zu den Nachzüglern. Weltweit straffen Zentralbanken vor allem in den Industrieländern seit Monaten ihre Geldpolitik in einem Tempo wie seit Jahrzehnten nicht mehr – wegen der vielerorts viel zu hohen Inflation.
Als weiterhin wichtigste Zentralbank der Welt gibt die US-Notenbank Fed dabei immer noch den Takt vor. Sie war zwar nicht die erste Notenbank, die mit Zinserhöhungen auf die Erholung nach der Corona-Pandemie und die negativen Inflationsüberraschungen reagierte. Da waren vor allem Zentralbanken in vielen Schwellenländern früher dran. Aber zuletzt preschte vor allem die Fed voran. Seit März dieses Jahres hat sie ihren Leitzins um 150 Basispunkte angehoben. Für die Sitzung am 26. und 27. Juli wird eine weitere Erhöhung um 75 oder nun sogar 100 Basispunkte erwartet. Zugleich hat sie mit dem Abbau ihrer aufgeblähten Bilanz begonnen. Ein solcher Gleichklang aus Zinserhöhungen und Bilanzabbau ist nahezu beispiellos.
Aber auch andernorts treten Zentralbanken wegen der Inflation gehörig auf die geldpolitische Bremse. In dieser Woche war es vor allem die kanadische Zentralbank, die neue Maßstäbe setzte. Sie erhöhte ihren Schlüsselsatz um 100 Basispunkte – was es zuletzt vor 24 Jahren gegeben hatte. Zinsschritte um 50 oder 75 Basispunkte sind dagegen global inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Auch deswegen wirkt die Zinserhöhung um 25 Basispunkte durch die EZB zögerlich.
Die EZB begründet ihre Zurückhaltung damit, dass das Inflations- und Konjunkturumfeld im Euroraum ein anderes sei als etwa in den USA. Der Preisdruck in den USA sei stärker durch die enormen Fiskalpakete und eine übermäßige inländische Nachfrage samt Lohndruck getrieben, während sie im Euroraum primär durch externe Faktoren wie die globalen Energiepreise getrieben sei. Zudem seien die wirtschaftlichen Risiken durch den Ukraine-Krieg für die Euro-Wirtschaft größer. Zum Teil ist das nachvollziehbar, zum Teil aber auch nicht. Auch im Euroraum etwa breitet sich die Inflation immer stärker aus und das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale steigt. Deswegen liebäugeln auch einige Euro-Notenbanker durchaus mit einer aggressiveren Vorgehensweise.
Tatsächlich stehen auch weltweit viele Zentralbanken vor einem Dilemma aus zu hoher Inflation und Rezessionsängsten. In der Abwägung entscheiden sich aber viele Notenbanken für den Kampf gegen die hohe Teuerung – auch aus Sorge um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Das gilt insbesondere für die US-Notenbank. Die Entscheider um Fed-Chef Jerome Powell glauben und hoffen zwar weiter auf eine „sanfte Landung“ der US-Wirtschaft. Sie scheinen aber zunehmend bereit, eine Rezession in Kauf zu nehmen, um die Inflation zu drücken. Damit zahlen sie in gewisser Weise auch den Preis dafür, dass sie dem Inflationsgeschehen zu lange zugeschaut haben.
In der zunehmend kontroversen Diskussion über die globale Geldpolitik hat die Zentralbank der Zentralbanken BIZ unlängst klar Stellung bezogen. Trotz zunehmender Sorgen vor einer globalen Rezession müsse es jetzt für die Notenbanken oberste Priorität haben, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Risiko, dass die Weltwirtschaft erneut in eine Phase von hoher Inflation eintrete, sei real, so die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jährlichen Wirtschaftsbericht. „Für die Zentralbanken kommt es nun darauf an, schnell und entschieden zu handeln, bevor sich die Inflation festsetzt“, so BIZ-Generaldirektor Agustín Carstens. Ansonsten würden die wirtschaftlichen Kosten langfristig noch sehr viel höher ausfallen.
Die EZB will nun erst einmal schauen, wie sich die erste Zinserhöhung an den Märkten und in der Wirtschaft niederschlägt. Ganz allein steht sie mit ihrer Vorsicht weltweit aber auch nicht: Auch die Bank of Japan will bislang nichts von einer Kehrtwende wissen, und in China halten sich sogar Spekulationen auf Zinssenkungen. Allerdings ist die Inflation in Japan und China deutlich niedriger als in Euroland.
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