LEITARTIKEL

Feindliche Übernahme

Die republikanische Parteiführung hat die Kontrolle über ihre Wähler verloren. Nach sieben Siegen bei elf Vorwahlen am sogenannten "Super Tuesday" ist der rechtspopulistische Seiteneinsteiger Donald Trump auf bestem Weg, sich die...

Feindliche Übernahme

Die republikanische Parteiführung hat die Kontrolle über ihre Wähler verloren. Nach sieben Siegen bei elf Vorwahlen am sogenannten “Super Tuesday” ist der rechtspopulistische Seiteneinsteiger Donald Trump auf bestem Weg, sich die US-Präsidentschaftsnominierung der Republikaner zu sichern. Vor fünf Jahren wurde der Milliardär von Präsident Barack Obama auf dem Pressedinner in Washington noch zur Witzfigur degradiert. Er ertrug das schallende Gelächter der Anwesenden damals mit hochrotem Kopf. Einige Monate später folgte die nächste Erniedrigung: Ihm wurde die Leitung einer Debatte republikanischer Präsidentschaftskandidaten verweigert, weil die Diskussion zu einem Zirkus verkommen könnte. Nun ist Trump selbst angetreten und verwandelt so jede Debatte in einen Zirkus. Statt Sachthemen dominieren persönliche Beleidigungen auf Schulhofniveau den Diskurs.Was hat Trumps Triumph begünstigt? In erster Linie half dem Reality-TV-Star, dass bei republikanischen Wählern politische Ideen kaum eine Rolle spielen. Als wirtschaftspolitisches Programm reicht schon aus, dass er eine radikale Einkommensteuersenkung verspricht. Zudem plant er – zum Vorteil der eigenen Familie – die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Der mehrfache Pleitier erwartet, “der großartigste Jobpräsident aller Zeiten” zu werden. Wie? Vor allem mit einer Politik gegen illegale Einwanderer und einem Konfrontationskurs gegen China, der zu mehr Industriejobs in den USA führen soll. Seine Wähler schätzen die einfachen Parolen. In allen Vorwahlstaaten war für sie bislang am wichtigsten, dass er “die Dinge beim Namen nennt”. Darauf folgte, dass Trump ein Seiteneinsteiger sei, die Zuwanderung begrenzen und mehr als elf Millionen illegale Einwanderer abschieben wolle. Die US-Grenze zu Mexiko will Trump mit einer Mauer schützen, für die der zweitwichtigste US-Importeur selbst bezahlen soll. Mehrere mexikanische Politiker haben das direkt ausgeschlossen. Trumps Reaktion: “Die Mauer ist gerade zehn Fuß höher geworden.”Der Populist hat praktisch keine politischen Freunde und daher auch keine Angst, Porzellan zu zerschlagen – weder im In- noch im Ausland. Handelsabkommen will er neu verhandeln und tut so, als ob er Ländern wie China die Bedingungen praktisch in den Block diktieren könne. Der ehemalige Ku-Klux-Klan-Anführer David Duke hat jüngst alle “Weißen” aufgefordert, Trump zu helfen. Darauf angesprochen sagte Trump zunächst, er könne sich dazu nicht äußern, da er über die “Organisation” zu wenig wisse. Später distanzierte er sich nur zögerlich. Was führende republikanische Politiker erschrecken lässt, stört weite Teile des republikanischen Wahlvolks bislang nicht.Das Entsetzen des Establishments ist ohnehin unangebracht. Die Parteiführung hat seit Jahren den Wählerhass gesät, den Trump jetzt erntet. Schon im Präsidentschaftswahlkampf 2008 wurden Verschwörungstheorien über Obama verbreitet und die Angst vor allem älterer weißer Wähler vor einem schwarzen Präsidenten geschürt. Präsident George W. Bush konnte damals weder mit seinen kostspieligen Kriegen noch mit seiner katastrophalen Wirtschaftspolitik punkten, deren Folge die größte Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg war. Diffamierungen sollten helfen, die desillusionierte Parteibasis gegen Obama an die Wahlurnen zu treiben: Obama ist in Kenia geboren. Er ist Moslem. Er ist Sozialist. Er will eure Waffen. Er nimmt euch eure Religionsfreiheit.Die Partei hat ihre Kongresswahlerfolge 2010 und 2014 basierend auf einer von Angst und Hass getriebenen Wahlbeteiligung älterer weißer Amerikaner erzielt. Seit Jahren definieren sich die Republikaner in erster Linie als Obama-Verhinderer. Politische Kompromisse werden als Verrat gebrandmarkt. Das bewies zuletzt Mitch McConnell, der ankündigte, der Senat werde über keinen von Obama für den Supreme Court vorgeschlagenen Richter abstimmen. Die Ankündigung des republikanischen Mehrheitsführers erfolgte noch am Todestag von Bundesrichter Antonin Scalia. Nun erhält die Partei mit Trump den Kandidaten, der den totalitären Ansatz einer Politik ohne Grautöne konsequenter verfolgt als jeder andere. Wer sich gegen Trump stellt, ist für diesen Freiwild – auch innerparteilich. Protestierende werden auf seiner Wahlveranstaltung unter den Beschimpfungen von Fans des Politikers abgeführt wie Verbrecher. Die freie Meinungsäußerung will er einschränken. Donald Trump dient als Warnung an Parteien weltweit, die glauben, für Wählerstimmen den kruden Thesen von Rechtspopulisten mehr Platz einräumen zu müssen: Am Ende steht die feindliche Übernahme.——–Von Sebastian SchmidDonald Trump dominiert den Vorwahlkampf der Republikaner. Die Parteispitze zeigt sich entsetzt, hatte zur feindlichen Übernahme aber selbst eingeladen.——-