Schuldenlast

Freedom Bonds für die Zukunft der Ukraine

Wie kann die Ukraine finanziell wieder auf die Beine kommen? Daleep Singh und Giancarlo Perasso von PGIM Fixed Income schlagen eine umfangreiche Umstrukturierung der Schulden vor.

Freedom Bonds für die Zukunft der Ukraine

Russlands anhaltender Raketenbeschuss auf die Ukraine macht das Ende des Krieges zwar noch lange nicht absehbar, doch ist es nicht zu früh, sich eine hoffnungsvollere Zukunft vorzustellen. Die Ukraine kann und muss sich wieder zu einer erfolgreichen wirtschaftlichen Alternative zu der von Russlands Präsident Wladimir Putin geprägten Kleptokratie entwickeln. Dazu muss sie jedoch die wachsende Schuldenlast überwinden, die die wirtschaftliche Erholung des Landes lähmen könnte. Ein mutiger Plan, der das Umwandeln bestehender Verpflichtungen in neue Schulden – nennen wir sie ukrainische „Freedom Bonds“ – vorsieht, wäre dabei hilfreich.

Vor der Invasion machte die Ukraine spürbare Fortschritte bei der wirtschaftlichen Integration in die Europäische Union und bei der Reform ihrer Institutionen, die das Einrichten einer unabhängigen Zentralbank, eine strengere Aufsicht über den Bankensektor und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung um­fasste. Die Verschuldung des Landes gegenüber externen Kreditgebern war vergleichbar mit der Verschuldung vergleichbarer europäischer Länder (Peers). Doch der wirtschaftliche Schaden durch die russische Invasion wird diese Schuldenlast schnell untragbar machen und die Kriegsanstrengungen und Wirtschaftsreformen der Ukraine gefährden.

Spielraum für Reformen

Unser Vorschlag ist eine Umstrukturierung der Schulden des ukrainischen Privatsektors mit einer modifizierten Version des Brady-Plans. Der Brady-Plan ist nach dem ehemaligen Finanzminister Nicholas Brady benannt und würde eine Beteiligung Russlands erzwingen. Der Brady-Plan wurde im März 1989 mit der Überzeugung ins Leben gerufen, dass die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer zu hoch war und reduziert werden musste, damit diese Länder wieder Zugang zur Finanzierung durch den privaten Sektor erhielten.

Für die Ukraine ist es aus wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Sicht unerlässlich, ihre Integrations- und Reformanstrengungen zu verdoppeln, um die Unterstützung der westlichen Partner zu sichern und – was am wichtigsten ist – dem ukrainischen Volk eine Perspektive für Wohlstand zu bieten. Die G7 und internationale Finanzinstitutionen wie Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank werden finanzielle Unterstützung leisten, um die makroökonomische Stabilität zu sichern und Spielraum für dringend benötigte Reformen zu schaffen. Allerdings dürfte der Wiederaufbaubedarf der Ukraine um ein Vielfaches höher ausfallen als das, was der öffentliche Sektor realistischerweise aufbringen kann. Hier sind kreative Lösungen gefragt, die diese Lücke schließen müssen.

Zu einem gerechten Friedensabkommen muss Russland einen beträchtlichen finanziellen Beitrag leisten, aber die Ukraine kann nicht auf ein freiwilliges Abkommen warten und hoffen. Wäre eine Finanzierung durch den privaten Sektor ausreichend? Möglich wäre es, aber angesichts des ukrainischen Schuldenbergs bestehen weiterhin Zweifel an der Tragfähigkeit des Schuldendienstes, so dass private Investoren abgehalten werden. Derzeit hat die Ukraine zugestimmt, die Bedienung ihrer Auslandsschulden gegenüber privaten Gläubigern bis August 2024 auszusetzen. Unseres Erachtens reicht eine Verlängerung dieser Aussetzung allerdings nicht aus, und eine umfassende Umstrukturierung der Schulden, einschließlich eines tiefgreifenden Schuldenschnitts, ist notwendig, um die Tragfähigkeit nachhaltig wiederherzustellen.

Im September 2022 belief sich die Verschuldung der Ukraine gegenüber ausländischen Kreditgebern auf rund 60 Mrd. Dollar, was fast 30% ihres Bruttoinlandsprodukts aus der Zeit vor der Invasion entspricht. Das ist in etwa so viel wie die durchschnittliche Schuldenlast eines Schwellenlandes. Aufgrund der verheerenden Auswirkungen des Krieges ist das ukrainische BIP jedoch 2022 um bis zu 40% eingebrochen. Das bedeutet, dass die Auslandsverschuldung der Ukraine im Verhältnis zum BIP im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich stark ansteigen wird, was das Land zu einem ungünstigen Ausreißer unter den Schwellenländern macht. Genauer gesagt, belaufen sich die derzeitigen Verbindlichkeiten der Ukraine gegenüber ausländischen Gläubigern auf 22 Mrd. Dollar und die Gesamtverbindlichkeiten für den Schuldendienst gegenüber dem Ausland (ohne internationale Finanzinstitutionen) in den nächsten fünf Jahren auf fast 18 Mrd. Dollar. Dies entspricht mehr als 70% der Devisenreserven und ist keine nachhaltig tragbare Entwicklung.

Schulden umstrukturieren

Unter der Führung des damaligen US-Finanzministers Brady wurde 1989 vereinbart, dass die Gläubiger (hauptsächlich Geschäftsbanken) besser gestellt wären, wenn sie gemeinsam bestehende Forderungen mit einem gewissen Verlust gegen neue Instrumente mit einer höheren Rückzahlungswahrscheinlichkeit eintauschten und so weitaus schlimmere – möglicherweise systemische – Folgen vermieden. Als Anreiz wurden US-Staatsanleihen als Garantie angeboten. Wenn ein Begünstigter des Brady-Plans mit den neu ausgegebenen Schulden in Verzug geriete, erhielten die Gläubiger US-Staatsanleihen.

Wir empfehlen einen ähnlichen Anreiz für die Umstrukturierung der ukrainischen Auslandsschulden in neue Finanzmittel, allerdings mit einem anderen Ansatz. Bei dieser Variante werden eingefrorene russische Reserven, die überwiegend aus US-amerikanischen, britischen, europäischen und japanischen Staatsschulden bestehen, als Sicherheiten verwendet. Die Einzelheiten des Umstrukturierungsangebots, wie z. B. der Kupon und die Laufzeit der neuen Anleihen, würden im Rahmen eines IWF-Programms zwischen den ukrainischen Behörden und einem Ausschuss von Kreditgebern ausgehandelt.

Die Vorteile einer erfolgreichen Umstrukturierung und Emission neuer Schuldtitel liegen auf der Hand, denn sie wären unmittelbar, umfangreich und breit angelegt. Vor allem würde der Schuldenüberhang der Ukraine verringert und der dringend benötigte fiskalische Spielraum für die Fortsetzung der ukrainischen Kriegsanstrengungen, den Wiederaufbau und eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung des Landes geschaffen. Gleichzeitig würde sich die Wahrscheinlichkeit einer ungeordneten Umstrukturierung für die privaten Gläubiger verringern und die Wahrscheinlichkeit der Schuldenrückzahlung erhöhen, wodurch die Rückkehr der Ukraine an die internationalen Kapitalmärkte beschleunigt würde. Die Geberländer und die internationalen Finanzinstitutionen würden davon profitieren, dass sie einen geringeren Teil der Finanzierungslast zu tragen hätten, als dies ohne neue Finanzierungen des Privatsektors für die Ukraine der Fall wäre.

Russische Reserven als Pfand

Und, was ganz entscheidend ist, der Plan würde Russland über seine derzeit stillgelegten Hartwährungsreserven einbeziehen, die als Sicherheit für die neu ausgegebenen Schulden der Ukraine dienen. Als Mindestvoraussetzung, vorbehaltlich der Zustimmung der ukrainischen Führung, könnte die Rückgabe der russischen Reserven von der vollständigen Rückzahlung der neu ausgegebenen Schulden durch die Ukraine abhängig gemacht werden. Kiew könnte andere Bedingungen stellen, wenn es sich für eine Verhandlungslösung mit Moskau entscheidet.

Wir glauben, dass dieser Vorschlag für ukrainische Freedom Bonds Kiew die beste Chance bietet, die positive Dynamik zwischen Stabilität, Reformen, Finanzierung und Wachstum wiederzuerlangen, die vor der Invasion gerade erst begonnen hatte, Fuß zu fassen. Unterm Strich kann und sollte der öffentliche Sektor diese Last nicht allein tragen. Auch der private Sektor hat ein Interesse und eine Verantwortung, die Grundprinzipien zu fördern, die Frieden und Sicherheit in der Welt untermauern.

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