Fünf mögliche Regierungsszenarien

In Italien könnte es bei einem durchaus möglichen Scheitern der Parteien zu Neuwahlen kommen

Fünf mögliche Regierungsszenarien

Die italienischen Wahlen kennen zwei große Sieger: Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung mit fast 33 % Stimmenanteil wurde die mächtigste Einzelpartei. Matteo Salvini von der Lega hat mit 18 % Stimmen seinen Wahlverbündeten Silvio Berlusconi und dessen Forza Italia in den Schatten gestellt. Doch auch zwei Tage nach den Wahlen wird gerätselt, welche Parteienkombination am wahrscheinlichsten ist.Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDie Lippenbekenntnisse von Lega-Parteisekretär Matteo Salvini, keineswegs mit dem Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung, M5S) ein Bündnis eingehen zu wollen, wird ebenso wenig ernst genommen wie die Versicherung des zurückgetretenen PD-Parteisekretärs Matteo Renzi (19 %), dass ein Zusammengehen mit der M5S nicht in Frage käme. Es zeichnen sich fünf Optionen ab: Fünf-Sterne und PDDie ursprünglich europaskeptische M5S ist relativ flexibel. “Wir sprechen mit allen”, ließ ihr Sekretär Luigi Di Maio wissen. M5S fand rechte wie linke Wähler. Nach dem Rücktritt des Erzfeindes Renzi wird eine Annäherung der beiden Parteien nicht ausgeschlossen. Der PD-Regionalpräsident von Piemont, Sergio Ciamparino, hat sich bereits offiziell für eine Koalition zwischen PD und M5S ausgesprochen. Ciamparino, ehemaliger Bürgermeister von Turin, ist ein Schwergewicht innerhalb der Partei. Tatsache ist, dass 75 % der M5S-Kandidaten vorher noch nie ein politisches Amt bekleideten. Im Gegensatz dazu weist der Partito Democratico langjährige Regierungserfahrung auf. In Rom steht zur Diskussion, ob nicht Regierungschef Paolo Gentiloni eine neue M5S-PD-Koalition als Regierungschef leiten und die M5S dabei die wichtigsten Ministerposten besetzen werde. Die Variante M5S-PD wird nicht nur von den Märkten, sondern auch aus EU-Sicht befürwortet. Dass M5S den Euroaustritt forciert, gilt als unwahrscheinlich. Fünf-Sterne und LegaEine Koalition der beiden europaskeptischen Protestbewegungen M5S und Lega, eventuell mit Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, wird als Terrorszenario bezeichnet. Es gibt Überschneidungen in den Wahlprogrammen, etwa die Kampfansage an die Brüsseler Bürokratie und illegale Einwanderung. Matteo Salvini, fremdenfeindlicher Vorsitzender der Lega, hat zwar eine Koalition mit M5S ausgeschlossen: “Ich sage Nein zu komischen Koalitionen” und begründet dies damit, dass die Fünf-Sterne-Bewegung schon zu oft ihre Meinung über die verschiedensten Themen geändert habe. Aber auch Salvini könnte seine Meinung ändern, sobald er von der Mitte-rechts-Koalition, sprich von Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi, Einspruch erhält. Problem bei einer M5S/Lega-Koalition wäre, dass beide Wahlgewinner Salvini und Di Maio Anspruch auf den Regierungschef erheben werden. Rechtsbündnis mit Splitterparteien Die Mitte-rechts-Koalition hat mit 36 % keine Mandatsmehrheit. Dazu wären 40 % nötig. Gemeinsam mit der Forza Italia, den postfaschistischen Fratelli d’Italia und der “Wir mit Italien” könnte die Lega einen anderen kleinen Partner aus anderen Parteien zu Gesprächen einladen. Diese Kombination ist angesichts ansonsten drohender Neuwahlen eine Option. In Italien ist das “Suchen” nach abtrünnigen Abgeordneten für eine regierungsfähige Mehrheit keine Seltenheit. Hier steht es jedem Parlamentarier frei, so oft die Partei zu wechseln, wie es ihm beliebt. Fünf-Sterne und Forza ItaliaDie Fünf-Sterne-Bewegung kann sich ihre Koalitionspartner mit ihrem exzellenten Wahlergebnis aussuchen. Das Koalitionsverbot, das Gründer Beppe Grillo einst vorgab, wurde vom pragmatischen Spitzenkandidat Di Maio bereits abgeschafft. Möglich wäre auch Forza Italia als Koalitionspartner. Doch dies ist unwahrscheinlich. Denn M5S-Gründer Grillo und Berlusconi sind Antipoden. Grillos Feindbild Nummer 1 war und ist der Politikertyp, den Berlusconi verkörpert. Doch Berlusconi scheint verbittert, dass er innerhalb seines Mitte-rechts-Bündnisses hinter der Lega gelandet ist. Insofern sind auch unberechenbare Initiativen von Forza Italia möglich. NeuwahlenDa es nach den Wahlen keine klaren Machtverhältnisse gibt, sind Neuwahlen durchaus möglich. Nicht nur Präsident Sergio Mattarella will nach eigenen Aussagen Neuwahlen vermeiden. Analysten von UBS und der Investmentbank Leonardo befürchten in diesem Fall eine negative Reaktion auf den Finanzmärkten und eine weitere Zunahme der Zinsdiskrepanz zwischen zehnjährigen deutschen und italienischen Staatsanleihen.Am 23. März kommen erstmals die beiden Parlamentskammern zusammen, um die neuen Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer zu wählen. Danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen.