Für Spaniens Sozialisten tickt die Uhr

Wahl von Sánchez zum Ministerpräsidenten unwahrscheinlich - Neuwahl droht

Für Spaniens Sozialisten tickt die Uhr

Von Thilo Schäfer, MadridDer Chef der spanischen Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, stellt sich am heutigen Freitag zum zweiten Mal zur Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten. Nachdem er am Mittwochabend im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit nicht erreichte, würde dieses Mal zwar eine einfache Mehrheit genügen. Aber danach sieht es nach der selbst für spanische Verhältnisse extrem hitzigen Debatte nicht aus.Sollte der Sozialist erneut scheitern, könnte König Felipe einen neuen Prozess zur Regierungsbildung einleiten. Wenn bis zum 2. Mai kein Kandidat die Mehrheit erreicht hat, würde es automatisch eine Neuwahl geben. Als wahrscheinlicher Termin dafür wird der 26. Juni gehandelt. In den jüngsten Meinungsumfragen haben sich jedoch keine wesentlichen Veränderungen gegenüber dem Ergebnis der Parlamentswahlen vom 20. Dezember abgezeichnet.Die politische Hängepartie im viertgrößten Euro-Land droht zunehmend zur Gefahr für die Wirtschaft des Landes zu werden, und sie gilt auch als Problem angesichts der Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien. Auch in Brüssel und anderen Hauptstädten Europas wird mit Sorge beobachtet, wie es weitergeht. Spanien gilt bislang als ein erfolgreiches Modell für den EU-Reformkurs.Im ersten Wahlgang war Sánchez gescheitert, weil er nur die Stimmen seiner Partei und der liberalen Ciudadanos hinter sich bringen konnte. Für eine einfache Mehrheit heute müsste sich entweder die konservative Volkspartei (PP) des amtierenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy oder die linke Podemos zumindest enthalten. Rajoy hatte das Angebot zur Regierungsbildung von König Felipe abgelehnt, da er auch keine Mehrheit hat. Nach einer solchen Enthaltung sieht es aber nicht aus.Sánchez bemühte sich im Parlament um die Unterstützung von Podemos. Mit Blick auf ein Paket mit 200 Einzelmaßnahmen, auf das sich PSOE und Ciudadanos vergangene Woche verständigt hatten – unter anderem zur Genesung des politischen Systems, zum Kampf gegen die Korruption sowie zu wirtschaftspolitischen Schritten wie der Einführung eines Mindesteinkommens – sagte Sánchez an die Adresse der 65 Abgeordneten von Podemos: “Jede dieser 200 Maßnahmen ist besser als weitere vier Jahre Rajoy.” Doch Podemos-Spitzenmann Pablo Iglesias entgegnete mit scharfen Attacken auf die PSOE, der er unter anderem vorwarf, sich den Interessen der Großwirtschaft ausgeliefert zu haben. Die Sozialisten versuchen dennoch weiter, mit Podemos zu verhandeln.Albert Rivera, der Vorsitzende von Ciudadanos, buhlte dagegen um die Gunst der konservativen Abgeordneten, die er dazu einlud, sich ihres Chefs zu entledigen. Er warf Rajoy Versagen im Vorgehen gegen die zahlreichen Korruptionsskandale in seiner Partei vor. Doch der amtierende Regierungschef denkt nicht daran, seinen Posten zu räumen, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass er von den eigenen Parteifreunden zum Rücktritt gedrängt werden könnte. Damit ist auch eine große Koalition aus PSOE, PP und Ciudadanos in weite Ferne gerückt.