Strategieüberprüfung

Galhau facht EZB-Klimadebatte an

Applaus von Klimaschützern, Widerstand aus der Bundesbank: Der Präsident der Banque de France, François Villeroy de Galhau, hat eine Roadmap zur Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel vorgelegt.

Galhau facht EZB-Klimadebatte an

rec Frankfurt

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau hat die von EZB-Chefin Christine Lagarde angestoßene Debatte über die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen den Klima­wandel angefacht. In einer Grundsatzrede forderte er eine Überarbeitung der Geldpolitik samt einer Neuausrichtung der Anleihekaufprogramme anhand von Klimakriterien. Er plädierte dafür, Papiere von als grün deklarierten Unternehmen bevorzugt zu erwerben. Klimaschützer applaudierten zaghaft. Widerstand ist hingegen von Bundesbankchef Jens Weidmann zu erwarten.

Mit dem Vorstoß des Franzosen spitzt sich die EZB-interne Debatte im Rahmen der laufenden Strategieüberprüfung zu. Lagarde dringt auf eine stärkere Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel. Über den Ansatz, Klimarisiken über die Bankenaufsicht und auch in bestimmten Bereichen der Geldpolitik stärker zu berücksichtigen, herrscht im EZB-Rat grundsätzlich Einigkeit. Umstritten ist aber, wie weit die Notenbank dabei gehen sollte.

Ein stärker auf den Klimaschutz ausgerichtetes Vorgehen der Zentralbank erfordert Villeroy de Galhau zufolge „keine weitere Lockerung der Geldpolitik, sondern vielmehr eine Neukalibrierung unserer Werkzeuge“. Konkret fordert er, aus dem Klimawandel resultierende finanzielle Risiken stärker zu berücksichtigen. Dabei geht es dem Franzosen nicht nur um die Bewertung von Sicherheiten (Collaterals), die die Notenbank von Geschäftsbanken im Rahmen von Refinanzierungsgeschäften verlangt, sondern „mindestens“ im selben Maße um den Ankauf von Unternehmensanleihen. Den Erwerb von Staatsanleihen, die circa vier Fünftel des auf rund 4 Bill. Euro angewachsenen Bestands an Wertpapieren in der EZB-Bilanz ausmachen, nimmt Villeroy de Galhau hingegen aus, weil er eine Gewichtung nach Klimaschutzkriterien auf Ebene der Eurostaaten nicht für praktikabel hält.

Für etliche Forderungen, die Villeroy in seiner selbst als „Roadmap“ bezeichneten Rede aufwirft, hat sich auch Bundesbankchef Weidmann offen gezeigt. Dazu zählen etwa klimabezogene Berichtspflichten als Basis für den Sicherheitenrahmen. Für „falsch“ hält Weidmann dagegen, „die Geldpolitik als Mittel der Klimapolitik zu nutzen, etwa indem ‚grüne‘ Wertpapiere bevorzugt werden und Anleihen von kohlenstoffintensiven Unternehmen ausgeschlossen würden“, wie er kürzlich sagte. Von Emittenten mit einer schlechten Klimabilanz überhaupt keine Anleihen mehr zu erwerben, wie dies Klimaschützer fordern, hat EZB-Chefin Lagarde vor Kurzem ausgeschlossen, und auch Villeroy de Galhau will so weit nach eigenem Bekunden nicht gehen. Er zeigt sich aber offen, das Prinzip der Marktneutralität bei den Anleihekäufen, auf dem vor allem die Bundesbank besteht, aufzuweichen. „Marktneutralität (…) sollte nicht Klimaneutralität ausbremsen“, sagte der Franzose laut Redeprotokoll. Die EU-Kommission verfolgt mit dem Green Deal das Ziel, dass Europa bis Mitte dieses Jahrhunderts klimaneutral wirtschaftet.

Das setzt auch Banken unter Druck. Die Dringlichkeit verdeutlichten gestern die Direktoren der internationalen Bankenlobby Institute of International Finance (IIF). In zehn Empfehlungen an Regulierungsbehörden und Regierungen verlangten sie unter anderem Standards für die Offenlegung von Klimarisiken in den Büchern von Banken und Unternehmen. Auch Villeroy de Galhau will die Banken in einem zweiten Schritt in die Pflicht nehmen, bei der Kreditvergabe stärker klimabezogene Aspekte zu berücksichtigen.

Zustimmung bekam der Franzose von der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die auf eine viel aktivere Rolle der EZB in der Klimapolitik pocht. Die Vorschläge gingen „in die richtige Richtung“, sagte Greenpeace-Ökonom Mauricio Vargas. Villeroy der Galhau erkenne an, „dass die Klimakrise eine existenzielle Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte und der Wirtschaft insgesamt darstellt. Er zieht die korrekten Schlüsse, wenn er fordert, dass die EZB diese Klimarisiken nicht nur transparent machen soll, sondern auch konsequent adressieren muss.“

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