Statistikamt liefert Überraschung

Britische Inflation ist niedriger als erwartet

In Großbritannien ist die Inflation im August niedriger ausgefallen als von Volkswirten erwartet. Prompt wurde am Markt eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür eingepreist, dass die Bank of England am Donnerstag keine weitere Erhöhung des Leitzinses bekannt geben wird.

Britische Inflation ist niedriger als erwartet

Britische Inflation ist niedriger als erwartet

Markt hält Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinserhöhung der Bank of England am Donnerstag für geringer

hip London

In Großbritannien ist die Inflation im August niedriger ausgefallen als von Volkswirten erwartet. Prompt wurde am Markt eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür eingepreist, dass die Bank of England den Leitzins am Donnerstag nicht weiter erhöhen wird. Ökonomen rechnen mit einem Schritt von 25 Basispunkten.

Trotz steigender Kraftstoffpreise hat der Preisauftrieb in Großbritannien im August nachgelassen. Das weckte prompt Erwartungen am Markt, die Geldpolitiker der Bank of England könnten auf eine weitere Leitzinserhöhung verzichten. Wurde vor Veröffentlichung der Daten noch eine Wahrscheinlichkeit von 80% für einen Zinsschritt von 25 Basispunkten eingepreist, waren es danach nur noch 50%. Das Pfund geriet prompt unter Druck. Viele Volkswirte rechnen allerdings weiterhin mit einem Zinsschritt von 25 Basispunkten auf dann 5,50%. Danach wird unterstellt, dass die Geldpolitiker erst einmal eine Pause einlegen werden.

Lebensmittelpreisinflation lässt nach

Wie das Statistikamt ONS mitteilte, ging die Teuerungsrate auf 6,7% zurück. Im Juli hatte sie noch bei 6,8% gelegen. Volkswirte hatten für den August im Schnitt einen Anstieg auf 7,0% angesetzt. Die Kernrate sank von 6,9% auf 6,2%. Am Markt hatte man dagegen 6,8% auf der Rechnung. Im Vergleich zum Juli stiegen die Verbraucherpreise um 0,3%. Der Einzelhandelspreisindex, an dem sich die Auszahlungen an die Besitzer inflationsgeschützter Staatsanleihen orientieren, stieg im Vorjahresvergleich um 9,1%. Das ONS führte den nachlassenden Preisauftrieb auf das Gastgewerbe, Lebensmittel und nichtalkoholische Getränke, Freizeit und Kultur sowie Möbel und Haushaltswaren zurück. Die Lebensmittelpreisinflation, die im März noch bei mehr als 19% gelegen hatte, belief sich im August noch auf 13,6%. Für Haushalte mit niedrigen Einkommen ist sie der sichtbarste Ausdruck der allgemeinen Teuerung. Sie müssen einen größeren Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben als Besserverdiener.

Höhere Kraftstoffpreise sorgten dafür, dass die Transportkosten zu den großen Inflationstreibern gehörten. Die höhere Alkoholsteuer schlug sich ebenfalls nieder, wenn auch nicht so stark wie von manchen Volkswirten erwartet.

Lohndruck lässt nach

Der akute Lohndruck, der das zweite Quartal geprägt habe, lasse nach, schrieb Simon French, der Chefvolkswirt von Panmure Gordon, in einer ersten Einschätzung. Zu den Faktoren, die im ersten Halbjahr die Erwerbseinkommen nach oben trieben, gehörte unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns (National Living Wage) um 9,7%. Hinzu kamen Tarifeinigungen im öffentlichen Dienst und im National Health Service. Die jüngsten Daten zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen zeugten von einer rasanten Verlangsamung des Beschäftigungswachstums. Mit der wirtschaftlichen Verlangsamung habe die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite abgenommen.

Was den zweiten großen Inflationstreiber angeht, die Energiepreise, sorgt der von der ehemaligen Premierministerin Liz Truss eingeführte Preisdeckel dafür, dass die den Verbrauchern abverlangten Preise nur viermal jährlich angepasst werden. Die Energiekomponente der Teuerungsrate wird aber erst im Oktober weiter zurückgehen. Der aktuell zu beobachtende Anstieg der Ölpreise könnte aber dazu führen, dass sich die Energiepreisdeflation darüber hinaus nicht weiter fortsetzt.

Hinweise auf Ende des Post-Covid-Ferienbooms

Der HSBC-Volkswirt Chris Hare hat drei mögliche Erklärungen für die überraschenden Inflationsdaten. Es könnte sich um eine kurzfristige Merkwürdigkeit handeln. Schließlich sei die Volatilität von Monat zu Monat groß. Das schlechte Wetter im Sommer könne etwa die Preisgestaltung des Gastgewerbes beeinflusst haben. Möglich wäre auch, dass die Weitergabe der höheren Energiepreise über verschiedene Branchen hinweg zu Ende gehe. Dafür wäre es allerdings aus seiner Sicht noch ein bisschen früh. Und drittens könnte sich die Nachfrage nach den Gütern und Dienstleistungen, die nach der Pandemie besonders gefragt waren, abschwächen. Wenn sich Hotelübernachtungen verbilligten, könne das ein Zeichen dafür sein, dass der Post-Covid-Ferienboom zu Ende gehe.

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