IM BLICKFELD

Gefährliche Komponente des neuen US-Protektionismus

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 14.2.2017 Während seiner ersten drei Wochen im Amt hat US-Präsident Donald Trump keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Abbau des Außenhandelsdefizits zu seinen vorrangigen Prioritäten zählen...

Gefährliche Komponente des neuen US-Protektionismus

Von Peter De Thier, WashingtonWährend seiner ersten drei Wochen im Amt hat US-Präsident Donald Trump keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Abbau des Außenhandelsdefizits zu seinen vorrangigen Prioritäten zählen wird. Slogans wie “Amerika zuerst” waren populäre Schlachtrufe während der Präsidentschaftskampagne. Sie bestärkten vor allem Wähler im Mittleren Westen der USA, die vorwiegend im produzierenden Gewerbe tätig sind oder waren, in der Überzeugung, dass Trump wieder Jobs in die USA bringen würde. Seine Versprechen gegenüber diesen Wählern will er nun einlösen, womöglich um einen hohen Preis.Im Kreuzfeuer der Kritik stehen nach wie vor China, Mexiko und bestehende Handelsabkommen, deren Tage entweder gezählt sind oder die per Dekret bereits aufgekündigt wurden, wie im Falle der transpazifischen Freihandelszone TPP. Während Trump mit einseitigen Strafzöllen kokettiert und signalisiert hat, dass er versuchen wird, mit wichtigen Partnerländern bilaterale Abkommen auszuhandeln, verfolgen seine republikanischen Parteifreunde im Kongress eine gefährliche, neue Strategie, die auch Exportnationen wie Deutschland und anderen europäischen Handelspartnern Kopfzerbrechen bereiten wird.Einer der Eckpfeiler der anvisierten Steuerreform soll nämlich eine Grenzsteuer sein, die Ausfuhren dem Zugriff des Fiskus völlig entzieht und gleichzeitig Importe deutlich verteuern würde. Die Reaktionen in der Wirtschaft sind durchwachsen, und der Präsident selbst möchte zunächst begreifen, was mit der umstrittenen “Border Adjustment Tax” eigentlich gemeint ist, ehe er diese vorbehaltlos unterstützt. Die Chance, dass eine gefährliche Form von latentem Protektionismus früher oder später in Gesetzesform gegossen wird, ist jedenfalls nicht zu unterschätzen. Schließlich besitzen Republikaner in beiden Kongresskammern die Mehrheit und könnten die Steuer ohne die Zustimmung der demokratischen Opposition durchpeitschen. Steuersenkung für ExporteureKo-Architekten des Steuerentwurfs sind Paul Ryan, als Fraktionschef im Repräsentantenhaus der mächtigste Republikaner auf dem Kapitolshügel, und Kevin Brady, Vorsitzender des Bewilligungsausschusses im Unterhaus. Mit einem umfassenden Reformgesetz, das zudem niedrigere Einkommensteuersätze sowie eine deutliche Herabsetzung der Körperschaftsteuer beinhalten soll, wollen sie US-Exporteure entlasten und gleichzeitig Importeure stärker zur Kasse bitten. Ausfuhrerlöse und im Ausland erzielte Gewinne würden demnach steuerfrei sein. Im Gegensatz zur geltenden Rechtslage dürften aber US-Unternehmen, die Waren, Vorprodukte oder unfertige Erzeugnisse aus dem Ausland einführen, deren Produktionskosten nicht mehr von der Steuer absetzen.Ryan und Brady argumentieren, dass die Grenzsteuer lediglich den Wettbewerbsnachteil ausgleichen würde, mit dem amerikanische Exporte aufgrund der in anderen Ländern erhobenen Einfuhrumsatzsteuer zu kämpfen haben. “Wir haben eine einmalige Chance, etwas wirklich Bahnbrechendes durchzusetzen und müssen diese unbedingt nutzen”, sagte Brady.Schützenhilfe bekommen sie aus der Industrie. Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, Autohersteller, Pharmakonzerne, IT-Firmen, Energieproduzenten, landwirtschaftliche Betriebe und selbst Filmstudios sind der “American Made Coalition” beigetreten. Der Lobbyistenverband aus exportorientierten Unternehmen rührt im Kongress und bei Regierungsvertretern für das neue Gesetz bereits kräftig die Werbetrommel.Nettoimporteure, allen voran der Einzelhandel, laufen gegen die cross border tax hingegen Sturm und warnen vor empfindlichen Preiserhöhungen für US-Verbraucher. “Für Autohändler und unsere Kunden wäre das ein herber Rückschlag”, warnt Cody Lusk, Vorsitzender der American International Auto Dealers Association (AIADA), des Dachverbands amerikanischen Importwagenhändler. Ähnlich sehen es einige republikanische Senatoren, die angesichts der knappen Mehrheit im Oberhaus fast alle an Bord sein müssten, soll der Gesetzeswurf Chancen haben, verabschiedet zu werden.Senator David Perdue aus Georgia nennt die Border Adjustment Tax “regressiv, sie wird dem Privatkonsum einen kräftigen Dämpfer verpassen und das Wirtschaftswachstum abwürgen”. Da die Verbraucherausgaben in den USA fast 70 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, “können wir uns eine so riskante Steuer in diesem noch frühzeitigen Stadium der konjunkturellen Erholung auf keinen Fall leisten”, meint Perdue. Maßnahme heftig umstrittenAngesichts der mangelnden Details über die konkrete Ausgestaltung des Steuergesetzes halten sich Ökonomen mit Schätzungen über die gesamtwirtschaftlichen Folgen vorläufig noch zurück. Einige Experten rechnen aber vor, dass die “faktische Besteuerung des Handelsbilanzdefizits”, das 2016 an der Warenbilanz gemessen 750 Mrd. Dollar und auch unter Berücksichtigung der Dienstleistungen noch 502 Mrd. Dollar erreichte, bis 2027 über 1 Bill. Dollar an Mehreinnahmen in die Staatskasse spülen würde. Anhänger argumentieren, dass dieses Geld genutzt werden könnte, um die Mindereinnahmen als Folge einer deutlich niedrigeren Körperschaftsteuer auszugleichen. Kritiker der Maßnahme meinen aber, dass die Wirkung des zusätzlichen Steueraufkommens gegen die negativen konjunkturellen Folgen verblassen würde. Neben der Bedeutung höherer Importpreise für den Privatkonsum würden Trump und der republikanisch beherrschte Kongress die akute Gefahr gleich mehrerer Handelskriege heraufbeschwören. Auch weisen sie darauf hin, dass globale Lieferketten auseinandergerissen würden. Übersehen werde in dem eifrigen Bemühungen um eine Steuerreform nämlich, dass das von Trump geliebte Etikett “made in the USA”, welches er auf mehr im Inland verkauften Produkten sehen will, völlig irreführend ist. In fast allen Industrien stammen nämlich Vorleistungen und Teile aus Übersee und würden im Falle der Verabschiedung einer preisverzerrenden Grenzsteuer unterliegen.Eingetütet ist die Gesetzesvorlage noch keineswegs. Nach aktuellem Stand haben neben Perdue zwei weitere republikanische Senatoren, Mike Lee aus Arizona und John Cornyn aus Texas, Einwände erhoben. Bleiben sie bei ihrer Position, würde die Grenzsteuer vermutlich schon im Oberhaus abblitzen. Unklar ist auch Trumps Haltung. Ihm sei das Gesetz prinzipiell “zu kompliziert” sagte der Präsident, würde es aber ernsthaft in Erwägung ziehen, wenn damit nachweislich neue Arbeitsplätze geschaffen würden und heimische Multis einen neuen Anreiz hätten, Auslandsproduktion in die USA zurückzuverlegen. Unter dem neuen Präsidenten bleibt alles offen, alles ist möglich.