Gegenwind für die "Gig Economy"

Britische Abgeordnete fordern mehr Rechte für abhängig Selbständige

Gegenwind für die "Gig Economy"

hip London – Die britische “Gig Economy” hat mit Gegenwind zu kämpfen. Gleich zwei Unterhausausschüsse haben Premierministerin Theresa May einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es Unternehmen wie dem US-Fahrdienstvermittler Uber Technologies oder dem Lieferdienst Deliveroo erschweren soll, Mitarbeiter wie Selbständige zu behandeln.Rund 1,1 Millionen Menschen arbeiten in der britischen “Gig Economy”. Sie erhalten keinen regulären Arbeitslohn, sondern werden für “Gigs” wie eine Pizzalieferung, die Beseitigung eines Wasserschadens oder eine Fahrt zum Flughafen bezahlt. Mehr als ein Viertel (28 %) von ihnen arbeitet in klassischen “White Collar”-Tätigkeiten wie Consulting, Rechtsberatung oder Rechnungslegung. Sie sollen künftig standardmäßig als Mitarbeiter klassifiziert werden, fordern die Abgeordneten, was scheinselbständigen Installateuren und Fensterputzern künftig Rechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall garantieren würde.”Es ist an der Zeit, die Schlupflöcher zu schließen, die es verantwortungslosen Unternehmen ermöglichen, Mitarbeitern zu wenig zu bezahlen, Steuern zu vermeiden und unser Sozialsystem auszunutzen”, sagte Frank Field (Labour), der Vorsitzende des Unterhausausschusses für Arbeit und Soziales. Rachel Reeves (Labour), die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, betonte, dass die Lasten der vielgerühmten flexiblen Arbeitsmodelle von den Mitarbeitern und der Allgemeinheit getragen würden. So bezahlten die Firmen der “Gig Economy” niedrigere Steuersätze als Firmen, die reguläre Arbeitskräfte beschäftigen. “Einseitige Flexibilität”Bereits im Juli hatte Matthew Taylor, ein ehemaliger Berater Tony Blairs, die Ergebnisse einer von der Regierung beauftragten Untersuchung der “Gig Economy” vorgelegt. Er sprach von “einseitiger Flexibilität”, die den Beschäftigten abgefordert werde. Er empfahl die Klassifizierung derjenigen, die sich von Plattformbetreibern wie Uber Jobs vermitteln lassen, als abhängig Selbständige (Dependent Contractors). Im amerikanischen und kanadischen Rechtssystem gibt es diese dritte Kategorie neben abhängig Beschäftigten und Selbständigen bereits. Taylor, der neuen Beschäftigungsmodellen nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, forderte die Regierung zudem dazu auf, die Lohnnebenkosten regulärer Beschäftigungsverhältnisse nicht weiter in die Höhe zu treiben – wie zuletzt durch die Ausbildungsabgabe.Aufmüpfige Fahrer hatten Uber diesen Monat bereits eine böse Niederlage beigebracht. Die Berufung des Plattformbetreibers gegen ein Arbeitsgerichtsurteil, das James Farrar und Yaseen Aslam grundlegende Arbeitnehmerrechte zugestand, wurde vom Londoner Employment Appeal Tribunal abgeschmettert. James Williams, Partner bei der Kanzlei Hill Dickinson, sprach von einer “signifikanten Entscheidung”. Zu den erkämpften Rechten gehöre das Recht auf den Mindestlohn, bezahlten Urlaub und bezahlte Pausen. Es sei “wenig überraschend”, dass sich Uber durch die Instanzen kämpfen wolle. “Dieser Fall könnte weitreichende Konsequenzen für die ganze Gig Economy haben.”Der Unternehmensverband CBI zeigte sich besorgt über einen Teil der von den Abgeordneten vorgeschlagenen Maßnahmen. Firmen brauchten Flexibilität, um zu wachsen und Stellen zu schaffen. Die von den Ausschüssen aufgeworfenen Probleme könnten durch eine effizientere Anwendung geltenden Rechts und durch zielgerichtete gesetzliche Veränderungen gelöst werden. Man müsse sicherstellen, dass denjenigen, die gerne flexibel arbeiteten, die Möglichkeit dazu nicht vorenthalten werde, sagte Neil Carberry, CBI Managing Director People & Infrastructure. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es, man sei sich darüber im Klaren, dass der Arbeitsmarkt nicht für alle funktioniere. Die Untersuchungsergebnisse Taylors würden sorgfältig geprüft.