EZB-Studie

Geldpolitische Schocks treffen Industrie stärker als Dienstleister

Geldpolitische Schocks bremsen die Industrie stärker aus als den Servicesektor. Zu diesem Schuss kommt eine neue Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB).

Geldpolitische Schocks treffen Industrie stärker als Dienstleister

Geldpolitische Schocks treffen besonders die Industrie

EZB-Studie beziffert Auswirkungen von unerwarteten Zinsänderungen auf die Wirtschaft

mpi Frankfurt

Geldpolitische Schocks durch unerwartete Zinsänderungen wirken sich stärker und schneller auf das verarbeitende Gewerbe als auf den Dienstleistungssektor aus. Zu diesem Schluss kommt eine empirische Studie der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Studienautoren können die Unterschiede auch beziffern. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich geldpolitische Schocks fast doppelt so stark und rund zwei Viertel schneller auf die Industrie auswirken als auf den Dienstleistungssektor“, heißt es in der Untersuchung.

Im laufenden Zinszyklus haben sich diese Effekte laut den EZB-Berechnungen bereits ab dem dritten Quartal 2022 bemerkbar gemacht – also unmittelbar nach der ersten Zinserhöhung Ende Juli 2022. „Da die Zinssätze weiter stiegen und sich die Auswirkungen früherer Schocks im Laufe der Zeit verstärkten, intensivierten sich die negativen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung auf die wirtschaftliche Aktivität im ersten Halbjahr 2023, wobei das verarbeitende Gewerbe schneller und in größerem Ausmaß betroffen war als der Dienstleistungssektor“, führen die Studienautoren aus.

Geldpolitische Schocks bremsen Industrie doppelt so stark aus

Das Modell legt zudem nahe, dass sich dieser Trend auch im zweiten Halbjahr fortgesetzt hat. Unter dem Strich habe der geldpolitische Schock bis zum Jahresende 2023 die wirtschaftliche Aktivität im verarbeitenden Gewerbe im Vergleich zum vierten Quartal 2021 um fast 1% reduziert. Für den Dienstleistungssektor steht ein Minus von rund 0,5% zu Buche. Beide Zahlen beziehen sich jedoch nur auf die Auswirkung des geldpolitischen Schocks.

Das allgemein höhere Zinsniveau durch die EZB-Geldpolitik der vergangenen rund eineinhalb Jahre ist hier nicht berücksichtigt. Auch dieses bremst die Konjunktur aus. Die Geldpolitik hat die wirtschaftliche Aktivität bei Industrie und Dienstleistern daher noch weit stärker abgeschwächt als nur um 1 bzw. 0,5%. Zudem entfalten die Zinserhöhungen auch 2024 noch ihre restriktive Wirkung.

Industrie führt Konjunkturzyklus an

„Die stärkere und schnellere Reaktion des verarbeitenden Gewerbes auf unerwartete Zinsänderungen erklärt seine führende Eigenschaft im Konjunkturzyklus“, resümieren die Studienautoren. Ökonomische Daten zeigen, dass die Entwicklung der Dienstleistungsaktivität typischerweise zeitverzögert dem Trend im verarbeitenden Gewerbe folgt.

Dies erklärt sich durch mehrere Ursachen. Industriegüter sind abhängiger von ausländischer Nachfrage und damit von der globalen konjunkturellen Lage als Dienstleister. Die Lieferketten sind im verarbeitenden Gewerbe länger und das benötigte Betriebskapital ist höher. Dies alles führt dazu, dass die Industrie typischerweise stärker und schneller auf wirtschaftliche Schocks reagiert als der Servicesektor – und zu solchen Schocks zählen auch unerwartete Zinsänderungen.

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