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„Die Klimatransformation darf nicht an der Finanzierung scheitern“

Die Klimatransformation schüttelt die Volkswirtschaft durch. Sorgen vor Deindustrialisierung machen sich breit. Die Finanzierung wackelt. Eine Debatte auf dem Roundtable des IW, der Dekabank und der Börsen-Zeitung mit dem Baden-Württembergischen Finanzminister Bayaz.

„Die Klimatransformation darf nicht an der Finanzierung scheitern“

„Die Klimatransformation darf nicht an der Finanzierung scheitern“

IW-Chef Hüther warnt vor Investitionsproblemen beim Strukturwandel – Baden-Württembergs Finanzminister Bayaz: Nicht jede Produktion im Land halten

lz Frankfurt

Die Umgestaltung der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität ist nicht nur eine gewaltige strukturelle Herausforderung, weil ein großer Teil des Kapitalstocks umgebaut werden muss, sondern nährt auch Sorgen vor einer finanziellen Überforderung und einer Deindustrialisierung des ganzen Standorts. Auf dem 33. Roundtable, den die DekaBank gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Börsen-Zeitung ausgerichtet hat, sprachen sich alle Teilnehmer daher unisono dafür aus, die Probleme bei der Transformation offen zu benennen. Es dürfe „kein Elitenprojekt“ daraus gemacht werden, meinte etwa Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg, um dem Populismus keinen Raum zu geben.

IW-Direktor Michael Hüther kritisierte gemeinsam mit seinem Kollegen Markus Demary die immense Bürokratie, die im Zuge der ESG-Regulierung aufgezogen wurde und Produktivitätsfortschritte in vielen Bereichen wegen des enormen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwands sofort wieder vernichte. Hüther sprach von „regulatorischer Übersteuerung“. Diese zieht nach Darstellung von Demary zahlreiche Berichtspflichten nach sich, die vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen nur schwer zu stemmen seien. Zumal die Renditen der „grünen Produktion“ ohnehin unsicher seien, weil in der Regel mit höheren Produktpreisen verbunden, die am Markt nicht unbedingt Nachfrage fänden.

Dabei, so Demary, sollte die Transformation so angelegt sein, dass sie Wachstum erzeuge und Arbeitsplätze schaffe, statt Wachstum und Branchen zu vernichten. Stattdessen werde über Deindustrialisierung geredet, gehe es um nicht mehr wettbewerbsfähige Branchen statt um jene Sektoren, die von der Transformation profitierten; und auch nicht darüber, wie der Standort Deutschland in Zukunft aussehen und wie er sich positionieren wird.

Verbriefungsmarkt aktivieren

Schon bei der Umsetzung der Transformation tauchen Demary zufolge Probleme auf, die vorher schon hätten adressiert werden müssen: die Finanzierung der Investitionen für den klimaneutralen Umbau. Kleine und mittlere Unternehmen etwa könnten nicht an den Kapitalmarkt gehen, sondern seien auf ihre Hausbank angewiesen. Und diese würde angesichts der unklaren Finanzierungsrisiken im Nachhaltigkeitssektor und wegen regulatorischer Restriktionen diesbezüglich sehr zurückhaltend agieren. Demary forderte daher zusammen mit Hüther und Bayaz u.a. eine Wiederaktivierung des Verbriefungsmarktes.

Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater hält die Finanzierungsfrage allerdings für lösbar angesichts hoher globaler Sparraten und eines immer größeren Finanzierungsmarkts außerhalb des Bankensektors, den „Schattenbanken“. Kater: „In einer Welt, da wir global zu viel Sparkapital haben, muss es doch möglich sein, die Volumina aufzubringen für die Transformationsinvestitionen“. Es komme darauf an, wie dieser Markt strukturiert sei.

Allerdings gehe Deutschland mit einem geschwächten Industriesektor in die Klimatransformation. Von einer Deindustrialisierung sprach er zwar nicht explizit, zeigte aber auf, dass die heimische Industrie vor allem im energieintensiven Bereich Federn lassen musste – gerade auch im europäischen Vergleich. Grund dafür seien die hohen Energiekosten, eine allgemeine Nachfrageschwäche auch wegen der politischen Unsicherheit sowie die Entglobalisierung, die der deutschen Exportwirtschaft große Probleme bereite. China würde es deutschen Unternehmen mit seiner „Dominanzstrategie“ obendrein besonders schwer machen. Angesichts des unfairen Wettbewerbs durch China, meinte er an die Ökonomenzunft gerichtet, könne man sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass Subventionen ja ein „Geschenk für Kunden“ seien. Hier sei die Politik gefordert, vor allem, um Leitbranchen zu bewahren.

Finanzminister Bayaz kritisierte ebenfalls die überzogene und kostenintensive Taxonomie, verlangte aber zugleich mehr Industriepolitik als Anschubfinanzierung in Kernbranchen. Der Bund, so Bayaz, „muss auch mal die Starken stärken“ im Wettbewerb mit China und den USA und darf nicht nur die Schwachen im Blick haben. Zugleich müsse man den Strukturwandel ermöglichen und „uns von ein paar Sektoren verabschieden“.

Deutsche Anspruchshaltung

Seitens der Politik vermisst er allerdings klare Perspektiven, einen stimmigen Masterplan und eine offene Debatte über den Strukturwandel insgesamt. Dabei dürfe man „Härten“ nicht ausblenden. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die von der Politik auch anerzogene Anspruchshaltung der Deutschen und die sich ausbreitende „Bequemlichkeit“. Jede politische Veränderung werde als „Zumutung“ angesehen, und zugleich viel über Vier-Tage-Woche, 32-Stunden-Woche und Work-Life-Balance geredet. Bayaz: „Wenn wir weltweit wieder erfolgreich werden wollen, müssen wir den Leistungshebel wieder umlegen.“

China fährt eine klare Dominanzstrategie im Industriesektor.

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