KOMMENTAR

Grabenkämpfe

Er hat gezaudert und gezögert. Doch am Ende hat er alle erstaunt. Nachdem François Hollande in einer Fernsehansprache zunächst die Bilanz seiner Präsidentschaft verteidigte, dann vor den Kandidaten der Konservativen und der Rechtsextremen warnte,...

Grabenkämpfe

Er hat gezaudert und gezögert. Doch am Ende hat er alle erstaunt. Nachdem François Hollande in einer Fernsehansprache zunächst die Bilanz seiner Präsidentschaft verteidigte, dann vor den Kandidaten der Konservativen und der Rechtsextremen warnte, verzichtete er schließlich doch auf eine erneute eigene Kandidatur. Er sei sich bewusst, dass er nicht genügend Anhänger um sich sammeln könne, gab er zu. Hollandes Schritt ist mutig und vernünftig, denn damit macht er den Weg bei den Sozialisten frei für die nächste Generation. Zumindest in den ersten Stunden nach seinem Verzicht gelang Hollande endlich das, was er während seiner bisherigen Amtszeit nicht vermochte: Die Einigkeit innerhalb der eigenen Reihen wiederherzustellen. Seine Genossen – egal ob vom linken oder eher rechten Parteirand – zollten ihm in nie gekannter Übereinstimmung Respekt.Diese neue Harmonie dürfte jedoch nicht lange währen. Spätestens wenn am 15. Dezember alle Bewerber ihre Kandidatur für die Vorwahlen der Linken Ende Januar bekannt gegeben haben, dürften in der Regierungspartei wieder die alten ideologischen Grabenkämpfe aufbrechen. Schließlich geht es um die Frage, wie sich die Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen gegenüber François Fillon von den Republikanern und Marine Le Pen vom Front National positionieren wollen: Mit einem Kandidaten, der die Werte der französischen Linken verkörpert, oder mit einem, der eher an die Sozialdemokraten Nordeuropas erinnert? Damit zeichnet sich ein Duell zwischen Globalisierungsgegner und Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und Premierminister Manuel Valls ab.Valls hat seine Kandidatur zwar noch nicht offiziell verkündet, doch sie gilt nur als eine Frage der Zeit. Die Vertreter des linken Parteirands zögern bereits jetzt nicht, ihn als den Vertreter des unbeliebten Präsidenten anzugreifen. Nach Hollandes Verzicht könnten weitere Regierungsmitglieder wie Energieministerin Ségolène Royal und Innenminister Bernard Cazeneuve bei den Vorwahlen antreten. Selbst wenn Valls diese gewinnen sollte, dürfte es für ihn danach nicht einfach werden, Mitte-links-Wähler für sich zu gewinnen. Denn die hat auch Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron im Visier, der unabhängig von den Sozialisten mit seiner eigenen Bewegung “En marche!” antritt. Die Duelle, die sich die Präsidentschaftskandidaten in den nächsten Monaten liefern werden, könnten also noch für so manche Überraschung sorgen.