Großbritannien macht auf guter Weltbürger
Von Andreas Hippin, London
Für den britischen Premierminister Boris Johnson ist der dreitägige G7-Gipfel, der am Donnerstag in Cornwall beginnt, eine große Chance, „Global Britain“ vorzustellen. Schließlich sind die Briten den Brexit-Befürwortern zufolge nicht aus der EU ausgetreten, um sich hinter den Kreidefelsen von Dover zu verkriechen, sondern um sich der Welt hinter den Mauern der Festung Europa zu öffnen. Und so spricht Johnson schon vorab von einem „historischen Moment“ und der Rückkehr des Landes auf die Weltbühne als „Macht des Guten“. Er wolle sich für Freihandel einsetzen, den Klimawandel angehen und „unsere gemeinsamen Werte verfechten“. Das hört sich gut an. Man darf nur nicht allzu genau hinsehen. Denn schottische Großgrundbesitzer und walisische Schafzüchter können dem Freihandel nichts abgewinnen, der beispielsweise australischem Lammfleisch den Markt öffnen würde. Dann könnten sich zwar britische Verbraucher über niedrigere Preise freuen, doch – anders als die Erzeuger – haben sie keine Lobby. Wer geglaubt hatte, die Tories würden sich von Zollschranken zum Schutz der Landwirte verabschieden, sieht sich eines Besseren belehrt. Internationalismus? Fehlanzeige.
Beim Klimawandel macht das Land schon eine bessere Figur. Johnson läuft sich schon einmal für den UN-Klimagipfel in Glasgow im November warm, auf dem er sich gerne als Weltenretter präsentieren würde, der einen Deal zwischen großen CO2-Emittenten der Volksrepublik China und den westlichen Ländern aus dem Hut zaubert. Schon seine Vorgängerin Theresa May setzte dem Land ambitionierte Klimaziele. Der Vorteil für Politiker wie May und Johnson besteht darin, dass sie längst nicht mehr im Amt sind, wenn sich abzeichnet, dass sie wohl doch nicht erreicht werden. Schließlich wäre dafür ein viele Jahre anhaltender Lockdown wie im Pandemiejahr 2020 erforderlich.
Bleiben noch die „gemeinsamen Werte“. Auch hier ist mehr Schein als Sein. Großbritannien gehört zwar zu den Gründern der Impfstoffallianz Gavi, doch im Kampf gegen das Coronavirus war der Regierung das Hemd doch näher als die Hose. Sie kürzte die Entwicklungshilfe, die bislang auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommens festgeschrieben war – aus finanziellen Erwägungen heraus. Irgendwie müssen die sozialen Wohltaten im eigenen Land ja finanziert werden. In den von der Pandemie betroffenen Ländern des globalen Südens würde es dringender benötigt. Doch „Global Britain“ fehlt ein Konzept. Von einer Führungsrolle kann Johnson so nur träumen.