Großbritannien vereinfacht Zollregime

Neues Zuwanderungsgesetz passiert Unterhaus - Freizügigkeit für EU-Bürger endet zum Jahresschluss

Großbritannien vereinfacht Zollregime

hip London – Das neue britische Zollregime, der Anfang 2021 den “gemeinsamen Zolltarif” der Europäischen Union ersetzt, wird zwar eine Reihe von Branchen wie die Automobilindustrie, Landwirtschaft und Fischerei schützen. Wie das Außenhandelsministerium mitteilte, steigt jedoch der Anteil der Güter, die zollfrei eingeführt werden können, von derzeit 47 % auf 60 %. Auf bestimmte landwirtschaftliche Produkte aus der EU wie zum Beispiel Rindfleisch werden künftig Einfuhrzölle erhoben. “Erstmals in 50 Jahren haben wir die Möglichkeit, ein eigenes Zollregime einzuführen, das den Erfordernissen der britischen Wirtschaft entspricht”, sagte Liz Truss, die im Kabinett von Premierminister Boris Johnson für das Thema Außenhandel verantwortlich ist. “Es ist besonders ermutigend, dass die Zölle für Produkte, die wir nicht selber herstellen, auf null gesenkt wurden”, sagte Robert Colvile, der Chef der konservativen Denkfabrik Centre for Policy Studies. Die Regierung habe sichergestellt, dass sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen künftig von niedrigeren Preisen profitieren werden. Einfuhrzölle auf Hygieneprodukte wie Tampons (bislang: 6,3 %) werden ebenso gestrichen wie Abgaben auf Geschirrspülmaschinen (2,7 %) und Tiefkühltruhen (2,5 %). Zölle unter 2 % sollen komplett gestrichen werden. London wird sich auch von der Meursing-Tabelle der EU verabschieden, die mehr als 13 000 Zollvariationen für Produkte wie Pizzas und Brotaufstriche möglich machte. Süßwaren und Bäckereiprodukte mussten etwa auf Grundlage ihrer Inhaltsstoffe – bestimmte Zuckerarten, Milchfett und Milcheiweiß – verzollt werden. Die Senkung des Verwaltungsaufwands soll der Konkurrenzfähigkeit der britischen Wirtschaft zugutekommen. Zudem werden die Zölle für importierte Vorprodukte der britischen Industrie im Volumen von 30 Mrd. Pfund auf null gesenkt.Die Regierung veröffentlichte gestern 13 Dokumente, die ihre Herangehensweise an die künftigen Beziehungen mit der EU illustrieren sollen. Darunter befinden sich neben dem Entwurf eines Freihandelsabkommens, der sich an früheren Verträgen der EU mit Japan, Kanada und Südkorea orientiert, Entwürfe für ein Fischereiabkommen, ein Luftverkehrsabkommen und für eine Vereinbarung zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme. Die EU würde lieber ein umfassendes Abkommen abschließen, das alle diese Bereiche abdeckt und Großbritannien über den Brexit hinaus verpflichten würde, sich an bestimmte Regeln der Staatengemeinschaft zu halten. Punktebasierte EinwanderungAnfang der Woche votierte das britische Unterhaus mit 351 zu 252 Stimmen in erster Lesung für das neue Zuwanderungsgesetz, das den freien Zugang zum britischen Arbeitsmarkt für Bürger der EU und anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zum Jahresschluss beendet. Es bereitet den Weg für die Einführung eines punktebasierten Auswahlsystems. “Wir beenden die Freizügigkeit, um Großbritannien der Welt zu öffnen”, twitterte Innenministerin Priti Patel. Das neue Zuwanderungsrecht “wird sicherstellen, dass Menschen auf Grundlage dessen in unser Land kommen, was sie zu bieten haben, und nicht aufgrund ihrer Herkunft”.Allerdings gibt es zur Ausgestaltung dieses Systems noch keine konkreten Vorstellungen, außer dass Englischkenntnisse in gewissem Umfang und ein Stellenangebot von einem anerkannten Arbeitgeber Punkte bringen werden. Das Oberhaus könnte die Verabschiedung des Gesetzes durch Zusätze verzögern, über die erneut im Unterhaus abgestimmt werden müsste. Es könnte unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen aber nicht auf Dauer verhindern, dass es verabschiedet wird.