Große Spannung vor EZB-Sitzung
ms Frankfurt
Einen Tag vor der wegweisenden und vom globalen Finanzbeben überschatteten EZB-Sitzung am Donnerstag haben die Debatte und die Spekulationen über den weiteren Zinskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) noch einmal gehörig zugenommen. Einerseits gab es Berichte und Forderungen, dass die EZB erst einmal auf Kurs bleibt und ihre Leitzinsen wie avisiert erneut um 50 Basispunkte anhebt. Andererseits gab es Plädoyers für einen zumindest vorerst vorsichtigeren Kurs. Zusätzliche Nahrung erhielt die Debatte durch neue Inflationsdaten aus Deutschland.
Anfang Februar hatten die Notenbanker für März eine erneute Zinserhöhung um 50 Basispunkte signalisiert und für die Zeit danach explizit eine Überprüfung des weiteren Kurses angekündigt. Zuletzt hatte es widersprüchliche Aussagen aus dem EZB-Rat zu weiteren Zinserhöhungen über März hinaus gegeben. Am Wochenende schürte dann die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) Sorgen vor einer Bankenkrise in den USA und weltweit. An den Märkten gilt selbst eine EZB-Zinserhöhung um 50 Punkte am Donnerstag nicht mehr als ausgemachte Sache.
Am Mittwoch nun berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Insider, dass die EZB-Notenbanker trotz der jüngsten Turbulenzen wohl weiter dazu tendieren, am großen Zinsschritt festzuhalten. Denn die EZB erwarte, dass die Inflation auch in den kommenden Jahren zu hoch bleiben werde. Zuletzt lag sie bei 8,5%, also deutlich oberhalb des 2-Prozent-Ziels. Zudem könne eine Abkehr von einer großen Zinserhöhung der Glaubwürdigkeit schaden, so der Insider.
Tatsächlich könnte ein denkbarer Kompromiss im EZB-Rat so aussehen, dass zwar einerseits an der kräftigen Zinserhöhung um 50 Basispunkte festgehalten wird, andererseits aber weniger klare Signale als in der Vergangenheit zu weiteren deutlichen Zinserhöhungen gegeben werden. Seit Juli hat die EZB ihre Leitzinsen bereits um beispiellose 300 Basispunkte angehoben.
„Die aktuellen Entwicklungen werden die EZB wohl kaum davon abhalten, die Zinsen am Donnerstag um 50 Basispunkte anzuheben“, sagte am Mittwoch auch der Europa-Chefvolkswirt der Ratingagentur Standard & Poor’s, Sylvain Broyer. „Die unmittelbare Gefährdung der europäischen Wirtschaft ist begrenzt, und die EZB muss ein Inflationsproblem bekämpfen, das zunehmend hausgemacht ist.“
Allerdings gibt es auch gegenteilige Stimmen. So sorgten am Mittwoch unter anderem Aussagen von Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi im Interview der Börsen-Zeitung für einiges Aufsehen. Er plädierte dafür, die geplante Zinserhöhung auszusetzen oder die Sätze zumindest nur um 25 Basispunkte anzuheben. „Die finanzielle Ansteckung ist gleichbedeutend mit einer gewissen Verschärfung der monetären Bedingungen. An der Erhöhung um 50 Basispunkte festzuhalten, als ob nichts geschehen wäre, bedeutet, eine härtere Gangart einzuschlagen als bisher angenommen“ (vgl. BZ vom 15. März). Zudem zog er Parallelen zum Jahr 2011 und zur damaligen Euro-Schuldenkrise: „Die EZB sollte vermeiden, den Fehler von 2011 zu wiederholen, als sie die Zinsen weiter anhob, ohne die zunehmende Ansteckung durch die Umschuldung Griechenlands zu berücksichtigen.”
Unterdessen wurde am Mittwoch bekannt, dass sich der Preisauftrieb im deutschen Großhandel zuletzt auf hohem Niveau erneut abgeschwächt hat. Im Februar stiegen die Großhandelspreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,9%, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im vergangenen Frühjahr hatte der Preisanstieg zeitweise mehr als 20% betragen. Das schürt die Zuversicht, dass bei der Inflation das Schlimmste überstanden ist. Zugleich bleibt der Preisdruck aber weiter sehr hoch.