Bundestagswahl 2021

Grüne fordern Vetorecht für Klimaschutzministerium

Die Parteispitze der Grünen hat am Dienstag ein überarbeitetes Klimaschutz-Sofortprogramm vorgestellt, um im Bundestagswahlkampf wieder in die Offensive zu kommen. Für Aufsehen sorgt vor allem eine Forderung.

Grüne fordern Vetorecht für Klimaschutzministerium

sp Berlin

Die Grünen haben knapp acht Wochen vor der Bundestagswahl ein überarbeitetes Klimaschutz-Sofortprogramm für die ersten 100 Tage der nächsten Legislaturperiode vorgestellt. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im Herbst will die Parteiführung „das größte Klimaschutzpaket beschließen, das es jemals gegeben hat“, heißt es in dem sieben Seiten starken Papier, das die Spitzenkandidatin Annalena Baerbock zusammen mit dem Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck am Dienstag in einem Naturschutzgebiet nördlich von Berlin präsentierte. Unter anderem soll im Rahmen des Sofortprogramms der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden, der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden und der geplante Hochlauf der Wasserstoff-Elektrolyse in Deutschland verdoppelt werden. „Wir stehen vor einer Weichenstellung“, erklärte Baerbock. „Die Klimakrise ist nichts Abstraktes, sondern passiert mitten unter uns“, sagte sie mit Verweis auf die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands. Der Verband der Chemischen Indus­trie (VCI) bewertete das Papier als „Schnellschuss“ und kritisierte die geplanten Belastungen für Unternehmen durch einen höheren Preis für CO2-Maßnahmen.

1,5-Grad-Pfad als rote Linie

Die meisten Maßnahmen im Klimaschutz-Sofortprogramm spiegeln Forderungen wider, die die Grünen bereits in ihrem Parteiprogramm formuliert haben. Neu ist vor allem die Ankündigung, ein Klimaschutzministerium schaffen zu wollen, das ein Vetorecht erhalten soll, um alle Gesetzesvorhaben verhindern zu können, die nicht mit dem im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziel konform gehen, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Eine Regierungsbeteiligung mache nur Sinn, wenn die Maßnahmen der Regierung das Land überprüfbar auf den 1,5-Grad-Pfad bringen, betonte Habeck und zog damit eine rote Linie, hinter die sich die Grünen in Verhandlungen mit einem möglichen Koalitionspartner im Herbst nur noch schwer zurückziehen können. Das neue Ministerium werde eine Klima-Taskforce leiten, die in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen soll, um die Umsetzung des Sofortprogramms zu beschleunigen, heißt es in dem Papier weiter.

Aus der Union, die als ein besonders aussichtsreicher Partner für die Grünen im Bund gilt, kam Kritik. „Mit einem Vetoministerium kann man nicht die Zukunft gestalten“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der die Klimaziele der Bundesregierung im Verkehrssektor nur aufgrund des coronabedingten Einbruchs im Flugverkehr erfüllt hat.

Die Grünen-Führung warf der großen Koalition und vor allem der Union am Dienstag vor, in der Klimapolitik zu wenig Tempo zu machen. Die Bundesregierung habe nach dem Urteil des Verfassungsgerichts im Frühjahr zwar die Klimaziele angehoben, ohne aber die zur Zielerreichung erforderlichen Maßnahmen zu konkretisieren. „Ziele ohne Maßnahmen sind brotlose Kunst“, sagte Habeck. „Es gibt ein Umweltministerium, das ist für alles Gute zuständig. Und dann gibt es ein Wirtschaftsministerium, was die ganzen Jahre immer nur ‚nein‘ sagt, weil es unionsgeführt ist“, sagte Baerbock, um die Forderung nach einem Vetorecht für ein Klimaschutzministerium zu untermauern. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wird vor allem der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien zur Last gelegt.

In den Tagen nach der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben die Grünen versucht, den Klimaschutz als Wahlkampfthema wieder in den Mittelpunkt zu stellen, nachdem die mediale Aufmerksamkeit zuletzt vor allem handwerklichen Fehlern der Spitzenkandidatin im Wahlkampf gegolten hatte. Bereits in der vergangenen Woche hatte Baerbock ein Zehn-Punkte-Papier für einen verbesserten Katastrophenschutz und eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel inklusive Klimavorsorgefonds mit einem Volumen von 25 Mrd. Euro vorgeschlagen (vgl. BZ vom 26. Juli). In Umfragen liegen die Grünen, die die Unionsparteien im Frühjahr kurzzeitig überholt hatten, aktuell deutlich hinter der Union.

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