Habeck nimmt Haushalte in Gaskrise in die Pflicht
BZ Berlin
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will private Haushalte bei dauerhaft fehlenden Gasmengen in Europa in die Pflicht nehmen, um eine automatische Benachteiligung der Industrie zu verhindern. „Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen“, sagte Habeck am Dienstag in Wien. Da passten europäische Vorgaben nicht genau und müssten eventuell nachgeschärft werden.
So sieht die sogenannte SoS-Verordnung vor, dass im Fall von Gasengpässen zunächst private Haushalte und kritische Infrastruktur wie etwa Krankenhäuser im Erdgasbinnenmarkt versorgt werden. Die Industrie und andere Unternehmen hätten das Nachsehen. Dieses Szenario passe zu einem kurzfristigen Ausfall, nicht aber zu den jetzt drohenden Engpässen, sagte Habeck.
Niemand solle frieren, betonte der Vizekanzler, aber auch private Haushalte müssten in die Pflicht genommen werden. Andernfalls drohten erhebliche Schäden für die Industrie und die Gesamtwirtschaft. Es gehe nicht darum, dass die von der SoS-Verordnung geschützten Kunden nicht mehr versorgt werden, sondern wie diese einen Beitrag leisten können, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage.
Hintergrund der Überlegungen des Wirtschaftsministers sind die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland. Seit Montag fließt wegen Wartungsarbeiten überhaupt kein Gas mehr über die Ostseepipeline Nord Stream 1. Ob Moskau die Lieferungen nach Abschluss der Arbeiten in der nächsten Woche wieder aufnimmt, ist ungewiss. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte den Gasfluss über Nord Stream 1 in den vergangenen Wochen bereits auf 40% gedrosselt und das mit dem Fehlen von Ersatzteilen wegen der westlichen Sanktionen begründet.
Die Gaskrise sei auch eine große Chance, sagte Habeck in Wien. Es gebe jetzt eine Allianz aus Klimaschutz und Energiesicherheit, obwohl es aktuell um Fragen wie den Ausbau von Flüssiggas-Terminals gehe. Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) mahnte, dass sich die Europäer nicht – wie vom russischen Präsidenten Wladimir Putin beabsichtigt – angesichts der kritischen Lage auseinanderdividieren lassen dürften. Österreich und Deutschland bekannten sich in einer gemeinsamen Erklärung zu einer engen Energie-Kooperation.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich nach einem Treffen mit dem slowenischen Ministerpräsidenten Robert Golob in Berlin zuversichtlich, dass sich die EU-Staaten solidarisch zeigen werden, wenn es im Herbst oder Winter zu einem Gasmangel kommen sollte. Golob hatte zuvor betont, dass gerade kleine EU-Länder wie Slowenien auf Hilfe der europäischen Partner angewiesen sein könnten. Kein Land könne allein mit einer Energiekrise umgehen, Lösungen gebe es nur im EU-Verbund. Zuvor hatte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gewarnt, dass die 27 EU-Länder nicht wie in der Corona-Pandemie nationale Reflexe in einer Notlage entwickeln sollten, die alle betreffe.